Noch nicht geradegebürstet
ARGE KULTUR / 100. ROTER SALON
11/05/16 „Wir leisten uns manchmal ganz stille Konzerte. Aber wenn es laut und energetisch ist, lässt sich im Roten Salon auch mal tanzen. Und genau wegen dieser Bandbreite wird der Raum so gemocht.“ Am Freitag (13.5.) lädt die ARGE zum hundertsten Mal in den Roten Salon. - Ein Rückblick auf die Erfolgsgeschichte eines eigenwilligen Formates.
Von Heidemarie Klabacher
„Ein Jahr nach der Eröffnung des neuen Hauses 2005 sind Marcus Hank und ich zusammen gesessen und haben überlegt, was uns noch fehlt“, erinnert sich der ARGE Leiter Markus Grüner-Musil. Tatsächlich gefehlt habe dem damaligen Leitungsteam „ein intimer clubartiger Rahmen für Musik, Literatur, Gespräch und Diskussion“. Das „Studio“ im Untergeschoss der ARGE war anfangs eine simple Black Box. Die Idee: „Das adaptieren wir, dass es ein Club wird, eine Bar – und auch eine Ausstattung und Ausstrahlung bekommt, die dem Ganzen eine Identität gibt.“
„Der Rote Salon“ war erfunden. Die ebenso tiefen wie tiefroten Sofas und Fauteuils auf unterschiedlichen Bodenniveaus vermitteln einladend das erwünschte Club- oder Bar-Flair. Rote Sessel machen freilich noch keinen Music-Club. „Zunächst haben Hank und ich zusammen programmiert, daher war anfangs das Programm etwas heterogener.“ Marcus Hank hat die ARGE dann verlassen. Es wurde weniger diskutiert, als musiziert und seit 2011/12 steht im Roten Salon vor allem Musik auf dem Programm, das Markus Grüner-Musil nun zusammen mit Cornelia Anhaus gestaltet.
Der Rote Salon habe sich zur ersten Adresse entwickelt „für Musiker-Persönlichkeiten, die noch nicht gerade gebürstet, noch eckiger und kantiger sind, für Künstler, die außerhalb des Mainstreams und der großen Öffentlichkeit für die interessanteren und spezielleren Dinge der Popkultur stehen“.
Zu den SingerSongwriter-Auftritten 2007, 2008 kamen alsbald „elektronische Spielarten und manchmal auch etwas härtere Gitarrenmusik“. Heute ist der Rote Salon, kurz gesagt, ein Forum für die österreichische Independent Pop Musik. Eine erste Adresse für Agenten und natürlich Musiker, „die gerne im Roten Salon spielen, weil ihnen die Atmosphäre gefällt“.
Ein Detail im Gespräch mit Markus Grüner-Musil lässt aufhorchen: Trotz der gewollten Bar- und Club-Atmosphäre, geht es vor allem um die Musik. Im Roten Salon sei es für die Musiker immer wieder überraschend, wie konzentriert das ARGE Publikum ist: „Viele sind es gewohnt in lauteren Clubs zu spielen. Bei uns ist es oft Mucksmäuschen still - und da fühlt man sich als Musiker oft auch recht entblößt. Das ist für viele zuerst irritierend, dann aber sehr faszinierend.“
Der Rote Salon als Kammermusik-Saal für Indie Pop? Beinahe: „Wir leisten uns manchmal auch ganz stille Konzerte. Aber wenn es laut und energetisch ist, lässt sich im Roten Salon auch mal tanzen. Und genau wegen diese Bandbreite wird der Raum so gemocht.“ Auch vom Publikum: „Der Rote Salon ist ein total gefragtes Format. Wir sind oft ausverkauft“, sagt Markus Grüner-Musil. Dennoch werde man auch im Zukunft beim kleinen Rahmen bleiben: „Man muss halt auch in Kauf nehmen, dass man manchmal keine Karten kriegt.“
Das Konzept ist „eingespielt“: „In jedem Roten Salon treten zwei Bands auf. Cornelia Anhaus und ich versuchen, gleichberechtigte Acts zu programmieren.“ Double Bill – eine Karte zwei Konzerte. „Jede Band spielt etwa eine Stunde lang.“ Es sei oft die „richtige Entscheidung, das kürzere Format zu wählen“, so Grüner-Musil, etwa, wenn eine junge Gruppe noch gar nicht genug Titel für ein abendfüllendes Programm hat. „Wichtiger ist uns die Haltung und Energie, die man in der jeweiligen Musikform spüren kann, als dass die Band eine zwanzig Nummern lange Setlist abspielen kann.“ Die Persönlichkeiten und die Musik, die sie spielen müssen gut freilich zusammenpassen, „darauf legen wir großen Wert“.
Duo, Streichquartett mit Gesang, „klassische“ Popband - auch vom, Klang- und Stil-Spektrum her ist der Rote Salon heterogen. „Toll, dass das Publikum bereit ist, dem zu folgen, wenn es immer ein wenig anders klingt, immer ein wenig unerwartet ist.“
Es sei für seinen „persönlichen Horizont wichtig“, immer wieder Dinge zu präsentieren, die in dieser Form noch nicht da waren, betont Markus Grüner-Musil. Bekanntes, Vertrautes kommt natürlich oft vor, „aber man muss auch immer wieder auf Entdeckungsreise gehen, und Sachen präsentieren, derer man sich noch gar nicht sicher ist“.
Cornelia Anhaus sei eine perfekte Partnerin, „weil sie noch einmal einen anderen Geschmack hat“. Ein Programm gemacht „von zwei recht stur unterschiedlichen Menschchen“, das komme der Vielfalt zu gute „und das Publikum nimmt das gerne an“.
Begonnen hat alles Jänner 2007 mit „Polman Reisen“. Zu Gast als Supportband beim zweiten Roten Salon war die Schwedische Band „Friska Viljor“, eine Gruppe die heute bei allen großen Festivals spielt. „’Ja, Panik’ haben 2007 bei uns gespielt, sie gastieren heute in großen Clubs.“
Es habe sich in den in den neun Jahren seit 2007 viel geändert in der Popmusik. Vor allem – und diese Antwort überrascht nun wirklich – herrsche mehr Gelassenheit: „Vor neun Jahren herrschte vor allem große Unsicherheit. Die Labels verkauften keine Platten mehr. Die Szene war im Umbruch, Stilfragen standen zur Debatte, vieles war unklar.“ Vor allem aber sei noch nicht absehbar gewesen, wie viel Substanz die Österreichische Popkultur hat. „Sie ist seither gewachsen, quantitativ und qualitativ“, sagt Grüner-Musil. Er und Cornelia Anhaus könnten den Roten Salon durchaus auch nur mit Österreichern besetzen, laden aber immer auch internationale Formationen ein.
Am Freitag (13.5.) steigt also der hundertste Rote Salon. „Der 99., 100. und der 101. gelten als unsere Jubiläums-Salons. Wir wollten die Unterschiedlichkeit der Musikgeschmäcker auf drei Salons verteilen“, sagt Markus Grüner-Musil. Salon Nummer 100 bestreiten die Gruppe „A Life, A Song, A Cigarette“ und der Gitarrist „Esteban's“. Und von „Esteban“ gibt es eine direkte Linie zurück zu „Polman Reisen“, die beim allerersten „Roten Salon“ gespielt haben…