Modeschau nach Noten
STIFTUNG MOZARTEUM / KAMMERKONZERT SCHMID-HAERING
11/03/16 Das Künstlerehepaar Ariane Haering/Benjamin Schmid gab im Großen Saal des Mozarteums ein Salzburg-Heimspiel mit Eventcharakter. Kostümwechsel inklusive.
Von Heidemarie Klabacher
Der Herr in schwarzem Samt - der dunkelschwarze Smoking war denn auch erstes Pausengesprächsthema - und die Dame in charmant wallender Rosenblütenrobe: In dieser Hochglanz-Fotostrecken-Adjustierung führten Benjamin Schmid und Ariane Haering anhand der Fantasie C-Dur für Klavier und Violine D934 hinein und hinab in Schubert’sche Tiefen. Und dort gab es nicht nur Samtschwarz und Rosenrot, sondern die ganze Farbpalette mit allen nur wünschbaren Nuancen, Facetten und Übergängen. Angefangen bei den - auf etwas so „plumpen“ wie einer Malerpalette kaum vorfindbaren – Geigenfarben, mit denen Benjamin Schmid in das Stück einstieg: geisterhaft, fahl, nicht von dieser Welt. All das markig-muntere Gehabe, mit dem Schubert sich selbst und uns allen ein schneidiges Verhaftet-Sein in der Welt vorspielen will, war an diesem Abend von diesen wenigen Strichen her zu deuten.
Wer da wen mitriss auf dem Podium, war kaum auszumachen. Die Pianistin Ariane Haering ließ machtvolle Wogen aufbrausen, mit meisterhafter Kontrolle anbranden und an den Einsätzen der Geige mit Delikatesse sich beruhigen. Auf diesen pianistischen Wellenkämmen – Sturm-Metaphern gingen auch, aber Wassermetaphorik dünkt treffender – war für den Geiger Benjamin Schmid Zeit und Raum für virtuose Entfaltung. Eine stürmische mitreißende Schubert-Interpretation, die trotz (vielleicht wegen?) ihrer fiebrigen Exaltiertheit berührte und bewegte.
Dann holten Ariane Haering und Benjamin Schmid das kompositorische Schaffen des legendären Geigenvirtuosen Fritz Kreisler „aus dem üblichen Zugaben-Status heraus“ und widmeten ihm die zweite Konzerthälfte. Man habe sich eine Programmfolge ausgedacht, die sich in aktuellem Vokabular mit „Fritz Kreislers musikalischer Migrations-Hintergrund“ übertiteln ließe, erzählte Benjamin Schmid. Das Werk des Virtuosen Fritz Kreisler liegt dem Virtuosen Benjamin Schmid seit Jahren am Herzen. Sein Einsatz für Kreisler jenseits der Zugabenpraxis hat sich in bisher vier CDs niedergeschlagen.
Am Donnerstag (10.3.) im Großen Saal des Mozarteums rissen Benjamin Schmid und Ariane Haering ihr Publikum mit auf eine musikalische Europareise. Man hat sich dazu in der Pause sogar umgezogen: Statt in Schwarz und Rot glänzte man nun in Schwarzweiß und Spitzenschwarz, was dem musikalischen Ertrag aber keinen Abbruch getan hat.
Wenn amerikanische/japanische Touristen Europa in vier Tagen erledigen, bleiben Selfies vor Eifelturm, Stephansdom und Karlsbrücke. Wenn Haering/Schmid mit Reiseführer Fritz Kreisler diese Wahnsinnsreise antreten, kommen statt der gewohnten Zugaben- fein facettierte Charakterstücke heraus.
Kreisler hat sich seine eigenen Virtuosenstücke komponiert, aber ebenso virtuos anderer Leute Meisterwerke bearbeitet. So nahm die musik-migrantische Rundreise ihren Ausgang in Deutschland und Tschechien mit der Kreisler-Bearbeitung von Bachs Prelude E-Dur und der „Slawischen Fantasie h-Moll“, in der Kreisler Dvorak kompiliert hat. Persönliches Highlight, dieses emotionale Crescendo von der unvergleichlichen Melodie (des Liedes „Lieder, die meine alte Mutter mich singen lehrte“, dem vierten der „Zigeunerlieder“) bis zum manisch in sich kreisenden Volkstanz. Es folgte Kreislers eigenes „Zigeuner-Capriccio“. Wer weiß, wie lange die Stücke noch so heißen dürfen, aber dies nur nebenbei. Politisch und musikantisch korrekt bzw. mitreißend: Kreisler/Paganinis „La campanella“. Subtil der Umgang Kreislers mit den Walzer-Versatzstücken in seiner „Viennese Rhapsodie Fantasietta“, fein und subtil dazu das pianistisch-geigerische Farbenspiel von Ariane Haering und Benjamin Schmid.