Scheherazade in Waffen
INTERVIEW / LEILA JOSEFOWICZ / KULTURVEREINIGUNG
11/01/16 Das Finnish Radio Symphony Orchestra gastiert von 13. bis 15. Jänner unter der Leitung von Hannu Lintu im Großen Festspielhaus. Solistin ist die Geigerin Leila Josefowicz. Sie spielt das Sibelius-Violinkonzert und die österreichische Erstaufführung des ihr gewidmeten Stückes „Scheherazade.2“ von John Adams. Kulturvereinigungsleiter Michael Sowa sprach mit Leila Josefowicz.
Michael Sowa: Im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegeninnen haben Sie bereits sehr früh damit begonnen sich mit zeitgenössischer Musik auseinanderzusetzen. Einer der Komponisten mit denen Sie am besten vertraut sind ist John Adams. Mit ihm arbeiten Sie seit beinahe 15 Jahren zusammen. Sein erstes Violinkonzert haben Sie eingespielt und unzählige Male mit verschiedenen Orchestern und Dirigenten aufgeführt.
Leila Josefowicz: John Adams war der erste lebende Komponist mit dem ich im Alter von 21 Jahren zusammengearbeitet habe. Scheherazade.2 stellt definitiv den Höhepunkt meiner bisherigen Zusammenarbeit mit John dar.
Das Werk ist eine dramatische Symphonie für Solovioline. Es erzählt die Geschichte einer starken Frau, die gegen unterschiedliche Hindernisse ankämpft. Außerdem handelt es sich bei Scheherazade.2 um eine Geschichte von Liebe und dem Kampf für die Liebe. Im Gegensatz dazu wie es die ‚Männer mit Bart’ von ihr erwarten, möchte sie frei sein und das Leben nach ihren Vorstellungen gestalten. Es ist ein völlig individuelles, unabhängiges und rhapsodisches Lied. Dieses Werk stellt eine sehr intensive Erfahrung für mich dar. Mithilfe der Musik werde ich zu einer Schauspielerin, welche die Rolle der Scheherazade musikalisch verkörpert. Ich erzähle die Geschichte ihres Lebens, ihres Kampfs und des Triumphs.
Michael Sowa: Eine politische Komponente gibt es auch…
Leila Josefowicz: So ist es. John Adams selber sagt dazu: ‚Die beiläufige Brutalität Frauen gegenüber in vielen dieser Legenden brachte mich zum Nachdenken über die aktuelle Unterdrückung, die wir heute in den täglichen Nachrichten sehen können, über Missbrauch oder Vergewaltigung. In der alten Geschichte aus dem Orient ist die Prinzessin Scheherazade die einzige glückliche Frau, die ihr Leben durch ihre schier endlose Erzählkunst retten kann. Aber gibt es da viel zu feiern? Nur ihre Klugheit lässt sie ihren mörderischen Gatten besiegen. Auch heute noch werden Frauen massiv bedroht. Zum Beispiel die ägyptischen Frauen in der Revolution am Tahrir-Platz, umgeben von oft gewalttätigen Männern. Oder die junge iranische Studentin Neda Agha-Soltan, die während eines friedlichen Protestes in Teheran getötet wurde. Oder Frauen, die von religiösen Fanatikern attackiert werden, in Indien, Pakistan, Afghanistan, wo auch immer. Doch gibt es diese Tragödien nicht exklusiv im Mittleren Osten. Wir sehen Beispiele überall in der Welt, auch in meinem eigenen Land und sogar am Campus von Universitäten.’
Michael Sowa: Bei ihrem dreitägigen Salzburg-Gastspiel steht neben der Scheherazade.2 auch das berühmte Violinkonzert von Jean Sibelius auf dem Programm. Im Gegensatz zu einem zeitgenössischen Werk, dass Sie vielleicht sogar als Erste interpretieren, hat das Sibelius Konzert eine umfassende Interpretationsgeschichte. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade das die Herausforderung noch größer macht, mit einer neuen Interpretation einen bleibenden Fußabdruck zu hinterlassen?
Leila Josefowicz: Das Sibelius Violinkonzert ist herrlich und ich freue mich außerordentlich es wiederholt spielen zu dürfen. Da ich soviel Zeitgenössisches spiele muss ich mich immer und immer wieder fragen was denn eigentlich der Komponist ausdrücken möchte. Ich denke nicht darüber nach was sich andere Interpreten gedacht haben, sondern versuche die Anweisungen und Noten so zu verstehen wie Sibelius sie geschrieben hat. Mir ist wichtig, wie diese Musik zu mir spricht und nicht was andere darüber denken.
Michael Sowa: Bei Ihrem letzten Salzburg-Gastspiel im Jahr 2009 haben Sie das erste Violinkonzert von John Adams mit dem Mozarteumorchester im Großen Saal des Mozarteums aufgeführt. 2015, also sechs Jahre später, werden Sie insgesamt vier Mal im Großen Festspielhaus in Salzburg auftreten?
Leila Josefowicz: Sie haben Recht, zusätzlich zu den Konzerten für die Salzburger Kulturvereinigung im Jänner, werde ich im Sommer bei den Festspielen auch mit dem Cleveland Orchestra unter der Leitung von Franz Welser-Möst im Großen Festspielhaus zu hören sein. Auf dem Programm steht mit dem Violinkonzert von Thomas Ades wieder ein zeitgenössisches Werk! Ich freue mich sehr.