Wie freudig ist mein Herz
BACHGESELLSCHAFT / L'ORFEO BAROCKORCHESTER
23/11/15 „Himmlisches Vergnügen“ versprach der Konzerttitel – und in der Tat, die Bachgesellschaft versprach nicht zuviel: wiewohl man als brav Zuhörender lernte, dass himmlisches Vergnügen durchaus anders definiert wird als der Erdenbewohner sich das in seinen Träumen ausmalt.
Von Christiane Keckeis
Michi Gaigg, das L´Orfeo Barockorchester und hervorragende Solisten sorgten für einen herzerquicklichen Abend. Dem aus dem Samstagabendtrubel (21.11.) in die Große Aula schneienden Publikum mag zu Beginn die feine, dezibelschwächere Musik Johann Sebastian Bachs ein wenig entfernt vorgekommen sein, aber schnell hat sich das Ohr umgestellt – und das hervorragende Ensemble auf der Bühne lässt auch kaum die Wahl: Man muss zuhören, so präsent und intensiv wird musiziert. Die innere Ruhe kehrt unweigerlich ein. Bachsche Musiktherapie.
Die Oboe d´amore, weit weniger weich klingend als ihr Name vermuten lässt, steht im Mittelpunkt des ersten Konzertes BWV 1055. Carin van Heerden lässt langen Phrasen hören, eine Frau mit nahezu endlosem Atem, stupend in der Ruhe wie in der Beweglichkeit. Das Orchester mit Michi Gaigg am ersten Pult ergänzt dynamische flotte Akzentuierung mit Groove in den schnellen Sätzen (auffallend gut: die Continuogruppe), schöne Legato-Begleitungen im Larghetto – frisch und fein.
„Ich bin mir vergnügt“: in Bachs Solo Kantate für Sopran BWV 204 erfahren wir anschaulich, dass das wahre Vergnügen in dem Sich-Selbst-Genügen liegt. Die Sopranistin Dorothee Mields wirft sich gewaltig ins Zeug, um es uns klar zu machen, mit Leib und Seele sozusagen. Und mit Stimme natürlich: wundervoll anschaulich gestaltet sie im Rezitativ, das ist kaum besser zu machen, farbenreich, akzentuiert, textdeutlich, ganz an der Sprachmelodie. In den Arien duettiert sie sensibel mit den jeweiligen Partnern an Oboen, Violine oder Traversflöte und lotet feinfühlig die Tiefen von Musik und Text aus. Dazu wiegt sie sich im Rhythmus in den Hüften, tanzt fast mit, der Rock schwingt – und so ganz mag man ihr die Wegwendung vom irdischen Leben dann doch nicht glauben.
Die Zweite Orchestersuite h-moll BWV1067 für Flöte und Streicher nimmt den tänzerischen Gedanken auf: da swingt das Rondeau, die Polonaise marschiert flott, elegant schwebt das Menuet und die Badinierie fliegt in erstaunlichem Tempo dahin. Die Charakterisierung der einzelnen Sätze hat nichts Beliebiges. Marcello Gatti, Solist an der Traversflöte, fügt sich fließend, ohne Verzögerungen in das Orchestergeschehen ein, tritt gelegentlich mit virtuosen Soli heraus, phrasiert bei all dem noch ausdruckskräftig, um dann unprätentiös wieder ins Orchester einzutauchen: sympathisches, organisches Musikzieren auf höchstem technischem Niveau.
Mit der Kantate „Mein Herz schwimmt im Blut“ BWV 199 zeigt Dorothee Mields ihre ausdrucksstarke emotionale Gestaltungsfähigkeit, die barocken Affekte und menschliche Gefühle werden mit stimmlichen Farben gemalt: seien es Verzweiflung, Schmerz, Buße oder Reue. Das Orchester gestaltet sensibel im Miteinander, die Soloinstrumente, die in den Arien mit der Sopranistin in Dialog treten, stehen in der musikalischen Ausdruckskraft nicht nach. In der abschließenden Arie wird die Oboe zur Fanfare, ganz trompetengleich, Spiel mit Klangfarben auch hier. „Wie freudig ist mein Herz, da Gott versöhnet ist“ – wie sollte er anders können, bei solch ernsthaft-freudigem Musizieren.