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Drei mal der ganze Brahms

KAMMERKONZERT / KAVAKOS, WANG

17/04/15 Es ist gewachsen, seit er die Camarata Salzburg, deren künstlerischer Leiter er einige Jahre war: Nicht nur Leonidas Kavakos‘ Haare sind seither in die Länge geschossen. Er wirkt auch größer, weil er schlanker ist.

Von Reinhard kriechbaum

Aber das gehört nicht in eine Musikkritik. Da sollte nur vom Wachstum in musikalischer Hinsicht die Rede sein. Auch das ist zu bestätigen. Kavakos war in seiner Camerata-Zeit ja nicht nur als Ensembleleiter einer, der Ideen mutig vom Zaum gebrochen hat. Auch als Geiger gehörte das Ruppige, Originelle, nicht unbedingt Zwingende zu seinem Wesen. Gestern Donnerstag (16.4.) ist man im Großen Saal des Mozarteums – das erstaunlich gut besucht war auch von studentischem Publikum – einem geläuterten (immer noch: jungen) Mann wiederbegegnet. Auf seinem und dem Notenpult seiner Klavierpartnerin Yuja Wang: die drei Sonaten von Brahms.

Ein Abend zum In-den-Keller-Lachen-Gehen? Das eben ist die Herausforderung einer chronologischen Aufführung diese drei Werke, von denen nur das mittlere wirklich lebensfrohe, gelöste Melodien bereit hält: sie so zu spielen, dass man als Zuhörer nachher ohne Analytiker auskommt. Die erste Sonate ist, biographisch belegbar, die traurigste, nimmt sie doch Bezug auf den Tod von Felix, einem Sohn von Clara und Robert Schumann. Brahms war Pate des Knaben.

Kavakos spielt diese Sonate als Ganzes gemessen, mit Ruhe und Zurückhaltung, in der Artikulation mit sehr überlegten Portato-Phrasierungen. Es sind ernste Reden, die er da mit der Pianistin führt, aber gefasst, auch wenn der zweite Satz mit Seufzern beginnt und gar nie auftaucht aus der tiefen Traurigkeit.

Da klammert man sich in Gedanken doch an ein Rettungsseil, das Leonidas Kavakos und die wenidige Pianistin Yujy Wang mit der zweiten Sonate den Zuhörern auch prompt zuwarfen. Sagen wir: Sie ist Brahms‘ herbstliche Frühlingssonate (ein Frühlingslied wird im ersten Satz auch zitiert, wie überhaupt Brahms gerne Themen-Anleihen in seinem Liedschaffen genommen hat für die Geigen/Klaviersonaten). Wer nicht glaubt, dass Brahms ganz juvenil und elegant zu tanzen verstand: Im Andante tranquillo dieser Sonate, das von echtem Tanzgestus aufgebrochen wird, konnte man das in dieser Wiedergabe besonders schön herauslesen, wobei nicht nur Kavakos‘ überlegt pointierter Geigenstrich, sondern auch der quirlige Zugriff der Pianistin zu einem ausgewogenen Charakterbild beitrugen. Irgendwie vermittelte dieser Abend als Ganzes den angenehmen Eindruck, eben den ganzen Brahms in einer sehr ausgewogenen Abmischung der Temperamente und Stimmungslagen erlebt zu haben.

Ja freilich, die dritte Sonate. Sie ist die bekannteste, nicht zuletzt deshalb, weil sie auch in Sachen Virtuosität viel hermacht. Aber das haben Kavakos und Yujy Wang gar nicht so herausgestellt, auch wenn die juvenil wirkende Pianistin quasi hinein explodierte in die den ersten Satz eröffnende Geigen-Nachdenklichkeit. Kein Gramm Fett im Adagio, kein unbotmäßiger Drücker. Und das reizvolle scherzoartige Gebilde mit dem durch sich ziehenden Sekund-Motiv: Das sind die beiden fast tastend und nicht drauflos tanzend angegangen. Fast so, als wollten sie ihre Ressourcen schonen fürs Finale, dem sie dann auch wirklich nichts Emotion schuldig blieben.

Mit zwei Zugaben ward der Abend auf echte Konzertlänge gestreckt: Ein rechter Jubel-Erzeuger war der effektsichere Petruschka-Verschnitt am Ende.

Die CD-Aufnahme der drei Brahms-Sonaten mit Leonidas Kavakos (Violine) und Yuja Wang (Klavier) ist bei Decca erschienen - www.deccaclassics.com
Bilder: leonidaskavakos.com

 

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