Der Alte und sein Weg in den Himmel
MOZARTEUMORCHESTER / RARITÄT
27/02/15 Dort, wo Ivor Bolton herkommt, gehört „The Dream of Gerontius“ zum klassischen Kanon der Oratorienliteratur. Hierzulande kennt kaum jemand dieses 1900 entstandene Werk von Edward Elgar. In der Sonntags-Matinee des Mozarteumorchesters (am 1.3.) ist es mit höchster Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal in Salzburg zu hören.
Gerontius. Das ist keine Haupt- oder Nebenfigur aus der Bibel. Das griechische Wort „geron“ heißt alt, Gerontius ist also „der Alte“. Wir werden erst Zeugen seiner gerontologischen Endstation und erleben dann noch mit, wie ein Engel mit der Seele auf Reisen geht: nicht direkt in den Himmel, das wäre zu einfach und gäbe musikalisch zu wenig her. Es geht vorbei an Dämonen, die um die Seelen der Toten kämpfen, und wir hören gemeinsam mit Gerontius auch das Klagen der Seelen im Fegefeuer. Glücklicherweise war Gerontius keiner, der zu Lebzeiten über die Stränge geschlagen hätte – wer weiß, sonst wäre es gar eine „Jedermann“-artige Bekehrungsoper geworden. Aber Gerontius hatte keine Tischgesellschaft, sondern anständige Freunde, die an seinem Totenbett inbrünstig „Kyrie eleison“ und dergleichen gesungen haben. Was also passiert letztlich mit Gerontius‘ Seele? Vor Gott wird sie nach Fürsprache des Todesengels gerichtet (die Partitur vermerkt an dieser Stelle „For one moment, must every instrument exert its fullest force“), nach kurzer Reinigung im Fegefeuer folgt die Aufnahme unter die Gerechten.
Also genug Musik-fähige, illustrative Szenerien, die man dem Textdichter gar nicht zutrauen würde: John Henry Newman (1801-1890), der als Anglikaner zum Katholizismus übertrat und es zu Lebzeiten zum Kardinal, posthum sogar zum Seligen brachte, war einer der großen Religions-Denker im 19. Jahrhundert. Mit zitierbaren Sätzen wie „Herr, erneuere deine Kirche und fang bei mir an!“ taugt er gut als pastoraler Früh-Vater des Konzils und wird entsprechend hoch gehandelt in der heutigen Theologie. Selig gesprochen wurde er übrigens erst vor ein paar Jahren durch Benedikt XVI.
Der Brite Edward Elgar (1857-1937) war, wie Newman, ein religiöser Outlaw in britischen Landen, katholisch nämlich. Eigenartig eigentlich, dass es kein geistliches Werk von ihm nachhaltig auf den Kontinent geschafft hat. Es gäbe noch mehrere Oratorien und seine Orgelsonate rechnet zu den repräsentativsten Werken der Orgel-Symphonik. Elgar gehört eben – unverdientermaßen – zu den großen Unbekannten im mitteleuropäischen Musikleben, auch wenn „Pomp and Circumstance“ jedermann im Ohr ist. Die unmittelbar vor dem Oratorium „The Dream of Gerontius“ entstandenen Enigma-Variationen, diese klangsinnigen Orchesterstücke, tauchen hierzulande noch am ehesten (doch selten genug) in Konzertprogrammen auf. Pech für Elgar übrigens auch in seiner Heimat, auch wenn es das englische Pfund noch gibt. Er hat seinen Platz auf der Zwanzig-Pfund-Note vor einigen Jahren eingebüßt.
Ivor Bolton jedenfalls ist zu danken, dass wir „The Dream of Gerontius“ übermorgen Sonntag (1.3.) in der Matinee des Mozarteumorchesters kennen lernen können. Es sei die bedeutendste Oratorien-Komposition der britischen Musik, versichert der Chefdirigent des Mozarteumorchesters, „weihevolle, aber auch zupackende und klangsinnliche Spätromantik“. Richard Strauss hat das Stück gelobt – was nicht wundert. Übrigens gibt es wie bei Wagner Leitmotive.
In großem Aufgebot wird in der Sonntagsmatinee nicht nur das Mozarteumorchester, sondern auch der Salzburger Bachchor antreten. Gerontius ist der Tenor Allan Clayton, der ihn begleitende Engel die Mezzosopranistin Sarah Connolly. Der Todesengel singt erwartungsgemäß Bass: Robert Hayward.