Ein Porträt in Musiklandschaften
UNIVERSITÄT MOZARTEUM / OENM / TRISTAN MURAIL
15/12/14 Es kann auch einmal so gesagt werden: In der zeitgenössischen Musikszene hat Salzburg inzwischen das ganze Jahr über Festspielsituation im Zusammenwirken von oenm und Mozarteum. Jüngstes Beispiel - ein Werke-Kanon um den Komponisten Tristan Murail, seine Schüler und wesensverwandte Kollegen.
Von Erhard Petzel
In unterschiedlichen Kombinationen brillieren die Musiker des oenm, wenn sie sensibel und kraftvoll die reiche Klangfarbenarbeit als das ihnen eigene Metier ausweisen. Ob Winde und Wolken, Heidelandschaften der Provence oder Reiseabenteuer im Kopf: die Umsetzung in harmonisch aufeinander abgestimmte Klang- und Motiventwicklungen mit spannenden Steigerungen und überraschenden Schlüssen erweist sie als kongeniale Partner des Komponisten.
In einem auf vier Jahre angelegten Zyklus präsentiert die Universität Mozarteum gemeinsam mit dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik in Portraitkonzerten ihre vier Kompositionsprofessoren und deren Studenten. Der Beginn galt dem Franzosen Tristan Murail. Porträtkonzerte Christian Ofenbauer, Achim Bornhöft und Rainhard Febel werden folgen. Als erster gefeiert und portraitiert - mit einem mondänen Programm in Musiklandschaften - wurde also Tristan Murail am Freitag (13.12.) im Solitär des Mozarteums.
Zunächst sind Tanja Brüggemann-Stepien und Vasiliki Krimitza am Zug, die bei Professor Murail dieses Jahr ihr Masterstudium in Komposition abgeschlossen haben. Nach der Pause weitet sich die zeitliche Dimension etwas ins Monumentale, wenn zwischen die Stücke aus seinem Zyklus „Portulan“ Klavierwerke von Debussy und Messiaen eingeschoben werden. Geschmacklich raffiniert ausgewählt und überzeugend aufeinander abgestimmt, sollte ein geschlossener Komplex erwachsen.
Zu dem Behuf wird erst am Schluss applaudiert, was einerseits ästhetische Geschlossenheit bewirkt, andrerseits schon den eingebauten Applausmechanismus der Schlüsse von Messiaens „Regard des prophètes, des bergers et des Mages“ und „Ile de Feu“ frustriert. Miki Skuta enthämmert an Bartok gemahnende Percussivpower mit minimalen Ostinati ebenso selbstverständlich aus dem Steinway, wie er in „Un reflet dans le vent“ in romantischer Virtuosität rhapsodisch parliert.
Dazu dreimal Debussy. Nicht nur impressionistisch („Reflets dans l’eau“), sondern durchaus wesensverwandt mit Messiaen in „Ce qu’a vu le vent d’ouest“ und dabei im Titel reziprok korrespondierend mit Murail. Dessen Sätze harmonieren in Atem, Dynamik und ihrer kammermusikalischen Dramaturgie mit den Kollegen der vorhergegangenen Generationen. Auch die am Obertonspektrum orientierte Klangwelt Murails lockt die Klavierstücke zur anschmiegsamen Partnerschaft.
Hideto Nomura leitet Beginn und Schluss des Murail-Blocks, wo alle für das Kammerensemble vorgeschriebenen Musiker des oenm im Einsatz stehen, und „Paludes“ mit einem Quintett. Alle kleineren Besetzungen werden akkurat ohne Leitung bewältigt mit einem Höchstmaß an Konzentration. So in „Feuilles à travers les cloches“, wo Flatterzungen- Flöte und tremolierende Streicher nicht nur dramatisch aufbegehren, sondern mit dem Klavier (Nora Skuta) präzise Akkorde setzen.
Als semantisches Band eint die Werke des Abends der Bezug auf Landschaften und Erinnern. Dem entsprechen auch die beiden Kompositionen vor der Pause. Tanja Brüggemann-Stepien bringt mit „Min Deern“ ein Werk ein, in dem einem Quartett aus Sopransaxophon, Bassklarinette, Akkordeon und Kontrabass eingespielte Klänge gegenüber stehen, die Geräusche aus dem Hamburger Hafen mit Ondes Martenot-Klängen und instrumentalen Strukturen verbinden.
Vasiliki Krimitza erinnert in „Anticheirafétisi“ an den Kampf der Frau um Gleichberechtigung an Körper und Wesen mit einer beeindruckenden Sopranpartie über den Text von Michail Krimitzas. Aleksandra Raszynska bewältigt den facettenreichen Part mit und gegen ein klangintensives Quartett aus Flöte, Violine, Gitarre und Klavier. Chungki Min dirigiert diese beiden Werke. Großer Applaus für alle aus dem wohlgefüllten Saal des Solitärs.