Wohlbehalten angekommen am Zweitwohnsitz
ARGE KULTUR / LUNGAU BIG BAND, REINHOLD SCHMÖLZER
06/11/14 Für neue Wege ist es nie zu spät und so kann man sich frohen Mutes im 32. Lebensjahr in gewagte und ungewohnte Gefilde begeben. Ein neuer Schwerpunkt auf junge österreichische Komponisten führt die Lungau Big Band in zutiefst jazzige und experimentelle Sphären.Ein Abend unter dem Motto: Schmölzer – eine Herausforderung.
Von Stefan Reitbauer
Möchte man sich auf die Suche nach einem sinnigen Zitat für das neue Programm der Lungau Big Band begeben, kommt einem vielleicht Rose Ausländer in den Sinn: „Sei was du bist, gib was du kannst.“ Letzteres kann die routinierte Formation diskussionslos erfüllen. Der Einsatz am ersten von zwei Konzertabenden (5.11.) in der ARGEkultur stimmt. Und auch wenn das Publikum anfangs noch einerseits etwas überrascht und andererseits beeindruckt auf der Suche nach vertrauten Beats und Grooves schüchtern mit der kleinen Zehe wippt – so webt sich doch nach und nach ein festeres Band zwischen Musikern und Zuhörern. Ob die Band ist, was sie hier tut – man wird sehen.
Reinhold Schmölzer am Schlagzeug zu beobachten, ist für sich eine abendfüllende Beschäftigung. Uneitel und niemals übereifrig Pathos verströmend, verrichtet er seine Arbeit. „The Egyptian“ heißt seine erste Komposition des Abends und sie fasst hervorragend die musikalische Ausrichtung Schmölzers zusammen: facettenreich, experimentell, schlaglichterreich, pointiert und – der Neologismus sei erlaubt – klangprall! Die akustischen Wolken, die noch dazu allzu oft ohrenbetäubend die Trommelfelle erreichen, drohen in ihrer Klangfülle beinahe zu platzen. Schmölzer gibt seinen Arrangements (etwa „Lotus Flower“ von Radiohead) eine massige Erweiterung aller musikalischen Facetten mit auf den Weg: rhythmisch, harmonisch, dynamisch, etc.
Den Rest erledigt die Band, bei diesem Projekt unter der unaufgeregten, souveränen Leitung von Johannes Berauer. Zwar überwiegt bei den Musikern unübersehbar die schalkhafte Freude am Muszieren. Doch man erahnt an den konzentrierten Gesichtern, dass die komplexen musikalischen Strukturen einiges abverlangen. So fällt dann manchmal der Wechsel vom satten, vollen Fortissimo-Sound in grazile, zerbrechliche Phrasen nicht ganz leicht, die Harmonieschichtungen bekommen kleine, seltene Risse. Gleichzeit verstärken diese scheinbaren Schwächen die Kontrastwirkungen und lassen folgende Schlaglichter noch strahlender und pointierter erscheinen. In der zweiten Konzerthälfte ist von diesen Unsicherheiten übrigens nichts mehr zu hören.
Das Musikerkollektiv ist in Reinhold Schmölzers Kompositionen und Arrangements der Star. Daneben seien aber unbedingt ein paar der großartigen Solisten erwähnt. Der Trompeter Joschi Öttl agil und kraftvoll, betörend lyrisch und komisch abstrakt Alois Eberl an der Posaune, und Gernot Strebl erotisch dampfend in den sonoren Jazz-Keller-Tiefen seines Bariton-Saxophons. Unverwechselbar und originell kommen die Soli wie kleine persönliche Geschenke ans Publikum dahergeflogen.
Es geht jung und bunt weiter: Im nächsten Jahr versucht sich die Lungau Big Band mit der Salzburger Jazz-Musikerin Angela Tröndle. Es heißt, irgendwann kommt jeder nach Hause. Und es scheint, als ob hier eine Formation einen aufregenden musikalischen Zweitwohnsitz gefunden hätte. Fazit: Uneingeschränkte Empfehlung eines musikalisch unverwechselbaren Big-Band-Abends.