Anregend. Spannend. Aufregend.
STIFTUNG MOZARTEUM / TETZLAFF QUARTETT
24/09/14 Das Tetzlaff Quartett hat die die Konzertsaison der Stiftung Mozarteum im Großen Saal eröffnet. Ein fulminanter Auftakt mit Mozart, Beethoven und Jörg Widmanns „Jagdquartett“. Wilde Jagd nichts dagegen!
Von Heidemarie Klabacher
Ob die Mitglieder des jeweils ausführenden Streichquartettes das gehetzte Wild mit der Technik des „Bogenstiches“ zur Strecke bringen – oder ihm doch noch eine Chance geben? Das fragt sich der Widmann-Hörer seit 2004, dem Jahr der Uraufführung des „Jagdquartettes“, bei jeder Neubegegnung mit dem rasanten Werk.
Das Tetzlaff Quartett lässt vom triumphierenden „Hei“ an keineswegs vorschnell auf eine humanitäre Lösung des Wettlaufes zwischen Jägern und Gejagten schließen: mit soviel Energie und Verve stürzen sich Christian Tetzlaff, Elisabeth Kufferath, Hanna Weinmeister und Tanja Tetzlaff in die Büsche. Zunächst kommen sie quasi als Jäger klassischen Zuschnittes daher, die - wenn auch mit außerordentlicher Energie - ihre Jagdhornsignale über Täler und Höhen schallen lassen. Aber schon bald mischen sich andere Töne dazu, düstere und beängstigende. Doch bevor aus dem fröhlichen Jagen endgültig eine blutige Hetzjagd wird, erklingen immer wieder fast humoristische Geräusch-Malereien, die die verbissene Energie der Jäger zu karikieren scheinen.
Fünf Streichquartette hat Jörg Widmann (bisher) geschrieben. Diese bilden einen Zyklus, quasi ein einziges großes Streichquartett, in dem die einzelnen Werke die Rolle charakteristischer Sätze übernehmen: Das „Jagdquartett“ trägt die Rolle des Scherzos. Allein daraus darf man getrost schließen, dass die blutige Hetzjagd doch nicht so ernst, sondern einfach als Funken sprühender Energieausbruch zu nehmen ist.
Waren es wirklich dieselben vier Künstler, die zuvor Mozarts Quartett d-Moll KV 421 als kostbares fein ziseliertes Kleinod quasi auf weiß-behandschuhten Händen und mit angehaltenem Atem vorüber getragen haben?
Dabei war auch diese so introvertierte Lesart geprägt von großem Kontrastreichtum in Klangfarbe und Tongebung. Mit den Variationen des vierten Satzes etwa schien das Tetzlaff Quartett weit über Mozart und die Klassik hinauszuweisen: Beinahe jazzig-pointiert kamen ein paar Passagen daher, vieles ließ an Schubert denken. Ein beängstigender Aufschrei schien weit über die Romantik hinaus geradezu auf die Zerrissenheit der Moderne zu verweisen.
Deutlich zupackender näherte sich das Tetzlaff Quartett dem Streichquartett a-Moll op. 132 von Ludwig van Beethoven, jenem vielgestaltigen Wunderwerk, das aus unzähligen Tänzen, Liedern und Chorälen bestehend, von Beethoven in seine überwältigend geschlossene Form gegossen worden ist.
Den zentralen dritten Satz hat Beethoven nach einer Krankheit im Jahr 1824/25 überschrieben als „Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lydischen Tonart“. Das wundersame Choralthema, streng und zugleich lieblich, erinnerte in der Interpretation des Tetzlaff Quartettes an ein unendlich strömendes Herzensgebet aus der Feder von Arvo Pärt. Der mehrmalige Wechsel zwischen dem überirdischen Choral- und dem fröhlich geerdeten Tanzmotiv bewirkte in diesem Satz einen überwältigenden, beinahe schon Trance evozierenden Sog.
Von den vielen bewegenden Momenten sei das beängstigend modern wirkende Rezitativ der ersten Geige im vierten Satz Alla marcia herausgegriffen: Auch von diesen Passen ausgehend, schien eine direkte Verbindungslinie von der „Klassik“ bis herauf in die „Moderne“, ja bis in die Gegenwart, sichtbar zu werden. Anregend. Spannend. Aufregend.