Ein Oratorium als „Choleramusik“
CHORJUBILÄUM / BELCANTO-CHOR
16/05/14 Der Belcanto-Chor Salzburg besteht seit 25 Jahren. Zu diesem Jubilä#um hat man ein besonderes Werk erarbeitet, das in Salzburg wohl noch nie zu hören war: das „Oratorium nach Bildern der Bibel“ von Fanny Hensel-Mendelssohn.
Berlin in den Jahren 1831 und 1832: Da wütete in der Stadt eine Choleraepidemie, an der auch Fanny Mendelssohn, die Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, erkrankte. Sie überlebte, aber das war keineswegs selbstverständlich damals. In ihrem Tagebuch notierte sie 1833 die Namen von 13 Menschen, die der Epidemie zum Opfer gefallen waren. „Es ist anzunehmen, dass die Komponistin ihre persönlichen Erlebnisse in ihrem Werk verarbeitete, das sie selber ‚Choleramusik‘ nannte, erklärt Gertraud Steinkogler-Wurzinger, die die Aufführung am Sonntag (18.5.) in der Christuskirche leitet.
Ein strenger, strafender Gott wird zum Erbarmer und Erretter, und aus einem sündigen und elenden Menschen wird eine erlöste und lobpreisende Kreatur. Das ist der Inhalt des 16 Nummern umfassenden Oratoriums, das die Heilsgeschichte der Menschheit erzählt und mit einem großen Gotteslob endet: mit jenem Psalm 150, „Alles was Odem
hat, preiset den Herrn“, den Bruder Felix 1840 in seiner „Lobgesang“-Symphonie als Abschluss wählte. „Einer – wie ich meine – der vielen Hinweise auf die innige Beziehung der beiden Geschwister“, so Gertraud Steinkogler-Wurzinger.
Die Komponistin und Pianistin Fanny Hensel Mendelssohn leitete ab Mai 1830 die „Sonntagsmusiken“, welche seit 1823 im Berliner Hause Mendelssohn durchgeführt wurden. Der Vater der Mendelssohn-Geschwister, der Bankier Abraham Mendelssohn, hatte – im Hinblick auf die Ausbildung seiner Kinder – begonnen, die besten Musiker und Musikerinnen zu engagieren. So etablierte sich nach und nach ein Musiksalon.
Mutter Lea Mendelssohn war selbst Pianistin und erteilte den Kindern den ersten Klavierunterricht. Sie führte den Salon, in dem sich die bedeutendsten Persönlichkeiten Berlins und des kulturellen Europas versammelten: Clara und Robert Schumann, Jenny Lind, Heinrich Heine, die Gebrüder Humboldt, Rahel Varnhagen, Paganini, Liszt, Gounod und viele andere mehr.
Fanny, der es nicht gestattet war, öffentlich aufzutreten, konnte einzig den Salon ihrer Familie als einen Ort zwischen Privat und Öffentlichkeit nutzen. Sie dirigierte zu den „Sonntagsmusiken“ Symphonien von Mozart und Beethoven, die Werke ihres Bruders und ihre eigenen, die zu publizieren ihr der Vater verboten hatte. Viele Werke, wie zum Beispiel Glucks Opern, wurden durch ihre Aufführungen erst bekannt.
Fanny Mendelssohns „Oratorium nach Bildern der Bibel“ wird auch in Ebensee am Traunsee aufgeführt (am 23. Mai in der Katholischen Pfarrkirche). Auch dorthin gibt es nämlich einen Mendelssohn-Bezug: Die Villa der Berliner Familie Mendelssohn, Verwandte von Fanny und Felix, war in Sommerfrische-Zeiten Treffpunkt von Kunstschaffenden aus Musik, Literatur und Malerei. Schriftsteller wie Fritz von Herzmanovsky-Orlando und Hermann Bahr, der Liederkomponist Hugo Wolf aber eben auch die Bankiersfamilien Mendelssohn und Asten verbrachten im Ortsteil Rindbach ihre Sommer am Traunsee. 1906 ließ die Familie Mendelssohn das vier Hektar große Anwesen „Fichteneck“ errichten. Die Villa steht nicht mehr, die Steinmauer, die das Gut begrenzt, ist noch erhalten. Gegenüber vom „Fichteneck“ liegt die „Dreiecksvilla“, 1924 im Schweizer Stil erbaut. Besitzerin war eine der Mendelssohn-Töchter. Die Familie trat immer wieder als großzügige Gönnerin von Vereinen und bedürftigen Kindern auf.
Gertraud Steinkogler-Wurzinger, Leiterin des Belcanto-Chors und Dirigentin des Oratoriums von Fanny Mendelssohn, beschäftigt sich im Moment ausführlich mit den Mendelssohns: Sie ist am Mozarteum unter anderem für Gender Studies zuständig. Heuer jährt sich auch der Beginn des Wiener Kongresses zum 200. Mal, und das ist Anlass für eine Vorlesungsreihe über drei Fannys: Fanny Mendelssohn eben, die Wiener Salonière Fanny von Arnstein (eine Großtante der Fanny Mendelssohn), und die Tänzerin und Salonière Fanny Elßler.
Fanny Hensel-Mendelssohn: „Oratorium nach Bildern der Bibel“. Im Salzburger Konzert (18.5., 19.30 Uhr, Christuskirche) ist dazu das Klavierkonzert von Marianne Martines zu hören. In Ebensee (23.5., 19.30 Uhr, Pfarrkirche) wird Günther Firlinger Orgelimprovisationen beisteuern – Der Belcanto-Chor im Internet
Bild: www.fannyhensel.de