Er wahrlich liebte die Sonne
HOFHAYMER ENSEMBLE / URAUFFÜHRUNG
14/03/14 Das „Kaspar Hauser Lied“, eines der meistinterpretierten Gedichte Georg Trakls, spielt an auf das Schicksal jenes geheimnisvollen jungen Burschen, der - kaum der Sprache mächtig – 1828 in Nürnberg auftauchte, Gerüchte über seine Herkunft, aber auch das Interesse von Juristen und Ärzten weckte - und eines mysteriösen Todes starb.
Von Heidemarie Klabacher
Der Salzburger Komponist Gerhard E. Winkler hat – das Schicksal der historischen Figur abstrahierend – mit seinem „Kaspar Hauser Lied“ nach Texten von Georg Trakl, Ovid und Feuerbach das bewegende Bild eines Menschen geschaffen, dem es nicht gelingt, die Grenzen der Sprachlosigkeit zu überwinden.
Ob die Figur in diesem musikalischen Porträt für fünf Stimmen und Akkorden, das vom Hofhaymer Ensemble am Donnerstag (13.3.) in der Christuskirche uraufgeführt wurde, wie Kaspar Hauser tatsächlich "bloß" nie richtig sprechen gelernt hat? Die subtil ausgewählten Textpassagen und deren ebenso anschauliche wie zurückhaltende Vertonung scheinen eher von einem modernen Schicksal der Verstrickung in Einsamkeit und Isolation und daraus resultierender Sprachlosigkeit zu erzählen.
Der Komponist hat die Fragmente aus dem Trakl’schen „Kaspar Hauser Lied“ kontrapunktiert mit einem einzigen über das Werk verteilten Satz aus Ovids Perseus-Medea-Metamorphose und mit Fragmenten aus den Protokollen von Anselm Ritter von Feuerbach über den historischen Kaspar Hauser.
Das Hofhaymer Ensemble hat zusammen mit der Akkordeonistin Karin Küstner und unter der Leitung von Silvia Vassallo Paleologo einen subtilen Klangraum geöffnet und gesangstechnisch etwa mit einem perfekten Vokalausgleich in allen Stimmen fasziniert, der die Übergänge zwischen Worten, Silben und Lauten virtuos verschleiern half. Einzelne perkussive Elemente, etwa knappe trockene Schläge, von den Sängerinnen und Sängern selber ausgeführt, setzten markante Zeichen. Feinste Vokalklang-Cluster, die für Augenblicke zu strahlendem Klang erblühen, „Schmatzen, Kichern, Murren“ (wie es in der Textpartitur heißt), aber auch gesprochene Worte im Klartext wurden vom Ensemble ebenso präzise. wie klangvoll umgesetzt - auf der Basis des klanglich oft geradezu geheimnisvoll flirrenden oder aber auch rhythmisch pointierten Akkordeonparts.
Die Mitglieder des Hofhaymer Ensembles – Ursula Langmayr, Anna Barbara Wagner, Bernadette Furch, Bernd Lambauer und Ulfried Staber – lassen jeden Klang, jeden Hauch, jede Vokalise auf der Basis technisch souveräner Stimmführung erblühen, lassen sie aber auch mit der selben Intensität im Pianissimo verklingen. Faszinierend das Decrescendo auf das Wort „Baum“ gegen Ende des Stücks: ein Absterben in die Unendlichkeit hinein. Markant, knapp, unprätentiös in der Expressivität gestaltet - und doch bedrohlich erblickte man „im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders“. Spannend.
„Umrahmt“ wurde die Uraufführung – ein Beitrag zum Trakl-Jahr 2014 – von den Mitgliedern des Hofhaymer Ensembles mit Antonio Lottis „Missa a 3 voci“ und fünf Motetten - darunter „Herr, auf dich traue ich“ oder „Verleih uns Frieden gnädiglich“ SWV 377 und 372 - von Heinrich Schütz. Auch im Alten Fach steht das Hofhaymer Ensemble für ebenso transparente wie klangfarbenreiche Gewebe aus präzise gesponnenen vokalen Linien.