Die Jugend von heute …
LEHRLINGSKONZERT / KULTURVEREINIGUNG
13/03/14 Die langweilige Regel „Mobiltelefone verboten“ wurde gleich gar nicht erst aufgestellt. Statt Feuerzeugen durften - um den Saal zu erleuchten - die Handys geschwenkt werden: So erinnerte die Stimmung beim zweiten Lehrlingskonzert im Großen Festspielhaus zunächst mal an ein Rockkonzert. Orchester, Tänzer und ein Chor aus zweitausend Jugendlichen feierten ein Fest.
Von Larissa Weigend
Schon von weitem ist vor dem Festspielhaus eine ungewohnt quirlige Menschenmenge zu erkennen: Es sind junge Leute aus Stadt und Land Salzburg, die auf den Einlass zum „Lehrlingskonzert“ warten. Schon zum zweiten Mal hat die Kulturvereinigung Berufsschüler und Lehrlinge zu besonders günstigen Konditionen ins Konzert eingeladen: „Für Schüler aller Schularten gibt es ein großes Kultur- und Vermittlungsangebot, für Lehrlinge gab es bislang nichts“, sagt die Kulturvereinigungs-Leiterin und Dirigentin Elisabeth Fuchs zu ihrer Initiative. Das erste Lehrlingskonzert fand im Vorjahr statt. Das diesjährige ging bereits an zwei Terminen - Mittwoch (12.3.) und Donnerstag (13.3.) - über die Bühne.
Das siebzigminütige Konzert ist perfekt abgestimmt auf ein Publikum, das nicht der typischen Klientel eines Symphonieorchester- Konzertes entspricht. Gekonnt leitete die Dirigentin Elisabeth Fuchs das Konzert auf spielerische Weise ein, indem sie dem Publikum zuerst die Regeln der Konzertkultur, etwa das Klatschen betreffend, erklärte. „Lisi“, wie sie sich dem Publikum vorstellte, fungierte gleichzeitig als Moderatorin, Animateurin und Komödiantin. Sie hatte die herrlich unbefangene und euphorische Menge - die gerne mal ihrer Begeisterung mithilfe von Pfiffen oder Zwischenrufen Ausdruck verlieh - sicher im Griff. Durch ihre lockere, aber authentische Art und Weise, mit der Menge zu spielen, gelang es der Dirigentin, ihr Publikum letztendlich doch in den „Konzert-Knigge“ einzuweihen.
Perfekt auch die Werkauswahl: Getreu dem Motto „Symphonic Dances“ spielte die Philharmonie Salzburg eine gelungene Mischung, die quer durch die Musikgeschichte jegliches Genre aufgriff. Das sorgte für die nötige Abwechslung und Unterhaltung. Mit bekannten - eingängigen und fetzigen - Melodien, gelang es Orchester und Dirigentin, das junge Publikum in ihren Bann zu ziehen und auch für große Werke klassischer Musik zu begeistern.
Als hervorragender Einstieg fungierte Gioachino Rossinis Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“, die den meisten wahrscheinlich besser als „Bonanza Galopp“ bekannt ist. Der Interpretation von Maurice Ravels vierzehnminütigem „Bolero“ durch die Philharmonie Salzburg gebührte genau jene besondere Anerkennung, die das Publikum auch jubelnd zum Ausdruck brachte. Das Prinzip der Steigerung, nach welchem der Bolero aufgebaut ist, wurde von den Ausführenden zusätzlich verdeutlicht, indem die Musiker des jeweils einzusetzenden Soloinstrumentes aufstanden: So konnten die Instrumente und ihre individuellen Klangfarben optisch und akustisch wahrgenommen werden. Ein einfacher kluger Kniff. Manch einer sammelte neue kulturelle Eindrücke, indem er etwa interessiert feststellte, dass man Streichinstrumente auch zupfen kann.
Während der Auszüge aus der Oper „Carmen“ von George Bizet steigerten die beiden Tänzer Nadine Horvath und Markus Eggensperger zusätzlich den Enthusiasmus des Publikums: Die Gegensätze - anmutige Balletttänerzin in knappem Tutu und coole Breakdancer in lässigem Shirt - zogen sich sprichwörtlich an und harmonierten trotz einer gewissen Rivalität zwischen den Künsten wunderbar miteinander.
Als Klassiker eines „Symphonic Dances“ durfte der „Ungarische Tanz“ Nr. 5 von Johannes Brahms natürlich nicht fehlen. Das 20. Jahrhundert wurde ebenfalls nicht außer Acht gelassen: Ein Medley aus Andrew Lloyd Webbers Musical „Evita“ wurde ebenfalls durch die beiden Tänzer untermalt. Sie erzählten eine traurige Liebesgeschichte, die happy endete. Da und dort konnten den Rhythmus nachklopfende Hände und Füße im Publikum gesichtet werden.
Das Highlight des Konzertes war, als sich auf einmal aus der Menge im Publikum einzelne Lehrlinge erhoben und mit Instrumenten die Bühne betraten: Nun war die Trennung zwischen den Zuhörern und den Künstlern eindeutig aufgehoben, indem sie gemeinsam mit dem Orchester den „Rainer Marsch“ spielten und dadurch Teil des Bühnengeschehens wurden.
Nachdem zu Beginn die Benimmregeln der Konzertkultur erklärt wurden, wurden sie – quasi mit einem Stilwechsel gegen Ende – wieder aufgehoben: Während des vierten Satzes von Beethovens „Neunter“ wurde das Publikum dazu animiert, bei „Freude schöner Götterfunken“ aufzustehen und mitzusingen, und zwar genau dann, wenn „Lisi“ Fuchs das Zeichen dazu gab: Der Zuschauer wurde nun selbst zum Akteur, was für klassische Konzerte doch eher ungewöhnlich ist. Erstaunlich, aber sehr überzeugend war, dass das junge Publikum sich inbrünstig beteiligte.
Einen krönenden Abschluss stellte die Zugabe dar, die das Publikum selbst wählen durfte - die Filmmusik zu „Fluch der Karibik“. Als „Zuckerl“ gab schließlich noch ein Gewinnspiel, bei dem Karten für ein bevorstehendes Konzert gewonnen werden konnten.
Mit ausgezeichnetem Gespür für Werkauswahl, für Integration und Interaktion, gelang der Balanceakt zwischen Unterhaltung und dem Hineinschnuppern in ein für Jugendliche meist nicht alltägliches Musikgenre. Wieder einmal wurde das Klischee, klassische Musik sei langweilig, widerlegt - wie man aus der Reaktion des tobenden Publikums schließen konnte.