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So müssen im Paradies die Konzerte gewesen sein

OENM / GANZ PRIVAT

25/10/11 Der Proberaum des Österreichischen Ensembles für Neue Musik im Künstlerhaus entspricht zwar nicht ganz den Vorstellungen von einem großbürgerlichen Salon, verströmt aber eine adäquate Atmosphäre: „oenm ganz privat“ – eine strategische Weitung mit Wohnzimmerkonzerten.

Von Erhard Petzel

Wenn die drei Musikerinnen die Stiege vom Büro herunterpoltern, ist das wie eine Fanfare.

Der hohe Raum in Weiß mit sympathischen Fenstern im Ausmaß eines großen Wohnzimmers hat was, und das liegt in seiner Konzentration. Wirtschaftlich zu bespielen ist er nicht, das ist offenbar auch kein Ziel. Im kleinen Kreis richtet sich alles Augenmerk auf den Vorgang des Musizierens. Hernach wird zum Glas Wein geladen. Die Spannung ist durch die Nähe zum Geschehen direkter als in jedem Konzertsaal, die Akustik verleugnet jede Erinnerung an Distanz. Man ist mitten drin, bis zum Umblättern der Noten spielt sich jeder Vorgang ins unmittelbare Bewusstsein.

„Bis dahin …, hier ist die Grenze. Alles das ist künstlich. Morgen spielen wir ein anderes Spiel.“ Diese Worte aus einem Tagebuch des Francisco Tanzer sind vielleicht symptomatisch für das oenm. Gesprochen werden sie in Sofia Gubaidulinas „Garten von Freuden und Traurigkeiten“, entstanden 1980/93. Die Flötistin Vera Klug und zwei Damen aus dem Hörerkreis strukturieren damit ein Kammermusikstück am Schluss eines Konzertabends.

Zur Flöte gesellt sich eine Harfe (Katharina Teufel-Lieli), die in Gubaidulinas Musik mit Papierstreifen präpariert und dem Stimmschlüssel auf der Saite zu gleitenden Flageoletts angeregt wird. Diese gehen zu Beginn mit der Flöte ein inniges Duett ein, bis die Viola (Susanne von Gutzeit) sich hereindrängt, die Flageolett-Riege verstärkend.

In die Scheidepunkte und Übergänge zu verschiedenen Bewegungen mischt sich der Text über Ende und Grenzen, bis die Klangideen des Beginns in einen esoterischen Schluss ausklingen.

Im Zentrum des Abends steht allerdings Claude Debussys Sonate für diese Besetzung von 1916. Das Aufführungskonzept verfolgt die Idee, nach jedem der drei Sätze ein Werk einzuschieben, das sich auf Debussys Stück bezieht. So erklingt nach Debussys erstem Satz das kontemplative und über redundante Muster entwickelte „…And then I knew 'twas wind“ von Toru Takemitsu, der auch auf Material Debussys zurückgreift, nach dem zweiten Satz Johannes Maria Stauds „Sydenham Music“ aus 2007.

Zur Verschränkung der vier Werke kann man vielleicht unterschiedlich stehen. Folgt man den Künstlerinnen, war ein großer gemeinsamer Spannungsbogen das Ziel. Der Aufbau von Takemitsu über Staud zu Gubaidulina ist gut nachvollziehbar. Durch die Trennung von Debussys Sätzen wurde eine Art Pausensituation mit eindeutig Applaus anregendem Halbzeit-Schluss vermieden. Gerade die Bitte der Musikerinnen, zwischendurch nicht zu applaudieren, bewirkte eine angenehme und entspannte Hör-Atmosphäre.

Kein Zwischensatz-Räuspern, kein Programmgeraschel, kein Handy-Gelärme, kein Zuckerlstanniol-Geknister oder sonstiges Ungehöriges: im absoluten Zentrum die Musikerinnen und ihre Musik. So muss die Konzertsituation im Paradies gewesen sein. Ein sympathisches und überzeugendes Unterfangen. Man darf man gespannt sein, was aus dieser schönen Initiative wird.

Jedenfalls wird sie fortgesetzt: vom 11. bis 13. November mit einem Komponisten-Porträt zu Gwyn Pritchard, vom 25. bis 27. November mit einem Trio von Klarinette, Fagott und Klavier.

 

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