Musik für den Frieden im Kosovo und überhaupt
JUNGE PHILHARMONIE / MASS FOR PEACE
13/10/11 Große Sakralmusik der Moderne in der Elisabethkirche hat bereits Tradition. „Mass for Peace“ nennt sich der diesjährige, sehr hörenswerte Abend der Jungen Philharmonie Salzburg.Von Gottfried Franz Kasparek
Es ist Elisabeth Fuchs zu danken, dass immer wieder Werke erklingen, die oft zwischen die wohl gehüteten Sessel des konservativen Repertoires und der seriell dominierten Avantgarde fallen. Nach Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“ und Bernsteins „Mass“ liegen nun Noten von John Adams und Karl Jenkins auf den Pulten. Gleich vorweg: Die Dirigentin und ihr hoch motiviertes Ensemble schaffen es wieder, den großen Formaten gerecht zu werden, mit jener Mischung aus Spielfreude, Spontaneität und hart erarbeiteter Präzision, welche das Kollektiv und seine Leiterin auszeichnet. Der Chor der Salzburger Kulturvereinigung, einstudiert von Anna Töller und Christian Brunner, schlägt sich mehr als nur wacker, vor allem was die diffizile Adams-Partitur betrifft.
„On the Transmigration of Souls“ heißt die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete „Musik des Erinnerns“ an die Opfer von 9/11, welche nach fast einem Jahrzehnt endlich ihre Salzburger Erstaufführung erlebte. Die Wanderung der Seelen findet ihre textliche Entsprechung in Aussagen der Betroffenen und Hinterbliebenen, aus denen Adams eine wirkungsvolle Collage geformt hat, die in ihrer sprachlichen Schlichtheit berührt. Dazu kommt allerdings eine hoch komplexe Musik, weit entfernt vom puren Minimalismus, voll mit echter Expressivität und bei aller anverwandelten Spät- oder Neoromantik in ihrer vielschichtigen Textur auf der Höhe der Zeit. Den von Helmut Zeilner perfekt vorbereiteten „Salzburger Chorknaben und -mädchen“ kommt dabei eine wesentliche Aufgabe zu. Verzichtbar erschien bei der ersten Aufführung am Mittwoch der mitlaufende „Soundscape“. Die Verkehrsgeräusche zu Beginn wirkten zunächst, als kämen sie live von der Plainstraße. Die Rezitation der Namen von Opfern war, zumindest in der Mitte der Kirche, zu leise vernehmbar, um melodramatische Wirkung zu erzeugen. Wobei die Frage offen bleibt, ob das verinnerlichte Finale solch elektronische Beigabe überhaupt notwendig hat.
Ohne Pause ging es weiter mit „The Armed Man – A Mass for Peace“, die den Opfern des Kosovo-Krieges gewidmete, ökumenische Friedensmesse des walisischen Allround-Musikanten Karl Jenkins. Den Kosovaren geschuldet ist wohl die einzige Bandzuspielung des Werks, der islamische Gebetsruf „Adhaan“, der bei aller Faszination sich nicht wirklich in die ungeniert romantische Musiksprache des Komponisten fügt. Jenkins, ehemaliger „Soft Machine“-Bandmusiker, Werbekomponist und Mitarbeiter von Mike Oldfield, kennt sich sehr gut aus in der Musikgeschichte. Gregorianik, das bekannte französische Antikriegslied aus dem 15. Jahrundert „L’homme armé“, Palestrinas Version davon, Verdis Requiem-Dramatik, Verismo-Sound, Orffs insistierende Rhythmen und Brittens Bläserbomben aus dem „War Requiem“ lassen heftig grüßen, wenn sich katholische Liturgie, britische Lyrik, indische Mythen und die erschütternde Aussage eines Hiroshima-Überlebenden mischen. Das Ganze ist allerdings überaus effektvoll zubereitet und trifft genau die musikalischen Bedürfnisse der Menschen, welche „Neue Musik“ kaum befriedigen kann oder will.
Das sich wiegende „Agnus Dei“ scheint eine eigene Inspiration des Komponisten zu sein und hat echte Schlager-Qualität. Alles ist nicht allzu schwer, die Solostimmen finden dankbare Aufgaben, am meisten die formidable Sopranistin Ursula Langmayr, der Gerda Lischka, Max Kiener und Markus Volpert schönstimmig entsprechen. Ehrlich empfunden ist dieser Eklektizismus immer, am echtesten ist er dann, wenn britische Folklore anklingt – und von den Aufführungszahlen des Stücks können Avantgardisten nur träumen. Von der Begeisterung des Publikums auch.