Kunst ist Reklame für die Schöpfung
HINTERGRUND / KÜNSTLERGESPRÄCH ESSL-NITSCH
10/10/11 Normalerweise ist an dieser Stelle, im Foyer des Großen Saals im Mozarteum der jugendstilige Mozart/Apoll zu bewundern - aber es gehen eh alle achtlos dran vorbei. Am Samstag (8.10.) - eine andere, von Hermann Nitsch gestaltete „Devotionalie“.
Von Reinhard Kriechbaum
Schüttbilder waren kombiniert mit Leinwänden, über die Farbe in dünnen Linien hinuntergelaufen ist. Diese Bilder waren zu einem mächtigen Kubus zusammengefügt, daran appliziert und davor drapiert Stolen, Messkleider – Hermann Nitsch verwendet ja gerne Utensilien aus dem Ritus der katholischen Kirche. Es fehlte gerade auch deswegen nicht an Anfeindungen.
Im Künstlergespräch mit dem Kunstsammler Karlheinz Essl war gerade auch dieses Verhältnis zur Religion ein Thema. Sein ganzes Leben lang habe er sich „mit den Religionen aller Völker und Zeiten beschäftigt“, so Nitsch. All diese Religionen seien wichtig „als Methoden der Lebensbewältigung“. Er, wiewohl „leidenschaftlicher Nietzsche-Anhänger“, betreibe Religions-Archäologie. „Ich sehe in den Religionen einen Kampf ums Ganze“ – der Ansatzpunkt für ihn, der ebenfalls „begeistert“ ist von der Schöpfung.
„Mich faszinieren Kultur, liturgische Gegenstände.“ Es sei „etwas Großartiges, was Menschen erdacht haben oder was über sie gekommen ist – wie man das eben sehen mag“. Nitsch hält es wie manche Fin-de-siècle-Künstler: „Für sie war Kunst nicht Religionsersatz, sondern religiöse Übung selbst.“
Lange hat Nitsch sich in dem Gespräch verweigert, Kunst für sich zu definieren, um letztlich aufs Ganze zu gehen: „Kunst ist Reklame für die Schöpfung.“ Was Kunst und Kultur selbst anlangt, ist Hermann Nitsch kein Pessimist: „Große Kulturen haben sich aufgebaut und sind wieder zusammengebrochen.“ Das sieht er „ein ewiges Fließen in kosmischer Hinsicht“ und klebt nicht am Einzelwerk: „Irgendwann wird die Erde verschwunden sein – und damit werden auch Rembrandt, Bach und die letzten Beethoven-Quartette weg sein.“
Die beiden alten Herren, der Kunstsammler Karlheinz Essl und Nitsch, sind sehr respektvoll und kultuviert miteinander umgegangen. Essl war nach Statements zur Lage der Welt, der Wirtschaft, der Kunst überhaupt aus, und zugleich bedacht, den Zeitrahmen vorbildlich einzuhalten – das brachte im Einzelnen dann schon auch manche verbale Seifenblase.
Aber Hermann Nitsch ist einer, der die Dinge – so global, ja kosmisch er sie auch betrachtet - auf liebenswürdigste Art erdet. Nachdem Essl ausgeholt hatte über sein Museum, den erhebenden Stellenwert der Kunsteindrücke und der Natur beim Hinausgehen, meine Nitsch lakonisch: Ich würde für Dein Museum Reklame machen und sagen: Und danach geht man zum Heurigen.“