Mit Misserfolgen zum Triumph
KULTURVEREINIGUNG / STUTTGARTER PHILHARMONIKER
29/09/11 Beide Werke – das Beethoven-Violinkonzert und Rachmaninows Erste Symphonie – gerieten für ihre Schöpfer bei der Uraufführung zum Fiasko. Ganz anders Mittwoch (28. 9.) im Großen Festspielhaus für Alexander Janiczek und die Stuttgarter Philharmoniker unter Gabriel Feltz, die begeistert gefeiert wurden.
Von Horst Reischenböck
Ein Gastspiel lag nahe, denn die Stuttgarter Philharmoniker sind Träger des „Prix Rachmaninoff 2006“, weil sie damals als erstes deutsches Orchester alle Sinfonien, Konzerte zyklisch aufführten. Die Präsentation der Ersten Symphonie op. 13 war die Salzburg-Premiere dieses Stücks.
Der deswegen als „d-Moll-Komponist“ Beschimpfte – in dieser seiner gleichsam „Leittonart“ stehen auch die 1. Klaviersonate und das 3. Klavierkonzert – hatte schon 1891 den ersten Satz einer Jugend-Sinfonie in derselben Tonart komponiert. Drei Jahre später überforderte er die Hörer, die darauf nicht vorbereitet sein konnten und waren. Nach der Uraufführung vernichtete Sergej Rachmaninow die Partitur, rekonstruiert erklang die Symphonie erst wieder 1945 in Moskau.
Sie verblüfft noch heute. Vom ersten Tutti-Schlag an ist sie ein tragisches Werk, lässt sie an Dantes Inferno denken und klingt mit grell holzschnittartigen Blech-Versatzstücken wie eine Vorwegnahme von Dmitri Schostakowitsch. Immer wieder aufbegehrend, kaum entspannender Streicherkantilene Raum bietend. Danach kein Scherzo, denn zwischendrin spielt der Konzertmeister den Tod – keineswegs als „Freund Hein“ wie in Gustav Mahlers Vierter (die damals noch gar nicht komponiert war). Es ist ein Tanz in den Abgrund, der mit dem auch im Larghetto immer wieder präsenten Dies-Irae-Zitat auch kein positives Ende zulässt.
Für die Ausführenden ist absolut fordernd. Die Gäste aus der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg erwiesen sich darin als im besten Sinne „durchwachsenes“ Ensemble. Alle Instrumentengruppen, vom piano geblasenen Horn über die prachtvoll warm tönenden Klarinetten bis hin zu den sonor tiefen Kontrabässen, vereinigten sich unter der dazu nötig beschwörend fordernden Stabführung ihres Chefdirigenten zu perfekter Ausgewogenheit.
Schon vor der Pause war Gabriel Feltz mehr als nur aufmerksamer Assistent. Die mit vierzig Streichern reduzierte Besetzung folgte willig allen dynamischen Vorgaben Ludwig van Beethovens und bot Lokalmatador Alexander Janiczek (der gebürtige Salzburger war über Jahre Camerata-Konzertmeister) eine ideale Gesprächsbasis. Partnerschaftlich, indem er etwa die mitunter lange Wartezeit auf den Eintritt seiner Soli zum Mitspielen mit den ersten Geigen nutzte. Aber auch, um sich auf dem Klangteppich mit der „Baron Oppenheim“-Stradivari in Händen sowohl sinnlich süffig wie zart in hohe Register hinein zu verbreiten. Man hielt sich nicht ganz an Beethovens Metronomangaben, frönte dafür umso schöner den Kantilenen. Auch das eine Premiere: Janiczek wählte die Erstversion von Joseph Joachims Kadenzen, der einst dem Beethoven-Konzert zum Durchbruch verhalf.