Beglückendes Musizieren
CAMERATA SALZBURG
20/06/11 Eindrucksvoll das letzte Saison-Konzert im Zyklus der Camerata im Großen Saal des Mozarteums mit Heinrich Schiff als Dirigent und Solist und Natalie Chee als Solistin: ein Abend von großer Aussagekraft und musikalischer Schönheit.
Von Elisabeth Aumiller
Statt des vorgesehenen Cellokonzertes von Joseph Haydn entschied sich Heinrich Schiff zu Beginn für zwei Cellokonzerte von Antonio Vivaldi: G-Dur RV 413 und h-Moll RV 424. Aufgrund einer noch nicht völlig auskurierten Verletzung der rechten Schulter hatte Schiff diesen Wunsch geäußert. Beide Vivaldi-Stücke bestehen aus je drei Sätzen, bei denen jeweils der sehr getragene Mittelsatz von zwei hurtig eilenden Allegro-Teilen umschlossen ist.
Dabei kam es den Zuhörern eindrücklich zu Ohren, wie unterschiedlich die Spielarten barocker Musik immer wieder sein können, was stets ein neues Hinhören und Wahrnehmen der musikalischen Klangrede ermöglicht. Hier tat sich eine sinnliche Vivaldi-Welt auf, voller Glanz und singender Melodik, dabei von rhythmischer Prägnanz und transparenter Klarheit. Virtuose Tänzchen ließ Schiff im Solopart seinen Cellobogen auf den Saiten vollführen, während er in den beiden Largosätzen Kantilenen in satter Wärme zum Klingen brachte, deren Innigkeit unmittelbar berührte. Mit feinen Klangtropfen wie schillerndes Glasperlenspiel untermalte das Cembalo.
Das Adagio E-Dur KV 261 hatte Mozart einst auf Bitten des Geigers Antonio Brunetti als Alternative für den dem Violinisten wenig mundenden langsamen Satz des A-Dur Violinkonzertes nachkomponiert. Diese Version setzte sich aber letztlich nicht durch und somit blieb dieses Adagio ein separates Konzertstück von großem Reiz. Konzertmeisterin Natalie Chee war hierbei auch als Solistin präsent und spann feinsinnige Linien in silbern glänzender Tonreinheit, in natürlichem Fließen und anrührender Empfindsamkeit - wunderbar eingebettet in die samtweich schimmernde Streicherbegleitung.
Die Urheberschaft Mozarts der Symphonie F-Dur KV 75 für zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher ist mangels der Originalshandschrift nicht gesichert - aber trotz mancher formalen Ungewöhnlichkeit wahrscheinlich. Dass der langsame Mittelteil erst an dritter Stelle nach dem Menuett platziert ist, ist dabei besonders auffällig. In fließend beweglicher Rhythmik gaben Heinrich Schiff am Dirigentenpult und die Camerata-Musiker der melodischen Vielfalt fast kammermusikalischen Zuschnitt, der zwar einerseits Züge eines vergnüglichen Divertimentos aufwies, aber gleichzeitig auch tiefere Schichten freilegte. Die Präsenz, beispielhafte Spielfreude und das nahezu solistische Engagement eines jeden Musikers fielen besonders auf und vermittelten eine anregende Spannung, die zum Zuhören zwang.
Das galt dann besonders bei Schuberts „Großer“ C-Dur Symphonie D 944. Die nervige Intensität, mit der Schiff und die Musiker die vielschichtigen Dimensionen dieses Werkes ausloteten, gab der Interpretation eine Größe, der man keine Sekunde seine Aufmerksamkeit entziehen konnte, die ein spannendes Musikerlebnis zeitigte und die Impression beglückenden Musizierens nachhaltig hinterließ.
Die Kraft dieser Musik wurde hier spürbar, die sich nicht im Bereich rhythmischen Taktierens bewegte. Vielmehr war es der innere Pulsschlag des Werkes, der sich wie eine vibrierende Welle von einem Musiker zum nächsten fortsetzte und wie ein unsichtbares Band alle zu einer Einheit verschmolz. Der Klang war füllig ohne von kompakter Dichte zu sein, blieb transparent auch in den imposanten Fortesteigerungen. Die Wirkung war ebenso aufregend wie berührend. Schuberts melancholisch durchwachsene Romantik kam auch bei dieser Symphonie wunderbar zum Ausdruck, trotz des hier überwiegend heiter frischen Charakters, der irgendwie von Aufbruchstimmung gekennzeichnet scheint. Die wechselweise sich herausschälenden Solopassagen der Holzbläser und Posaunen setzen glänzende Lichter, die Violinen blühten und die tieferen Streicher gaben die warme Fülle dazu. Aber es war kein Nebeneinander, sondern ein ausgewogenes Miteinander, ein sich Ineinanderflechten von bewegender Stimmigkeit. Die bekannte Langatmigkeit der Symphonie wurde hier zu relativer Kurzweiligkeit, der man noch lange hätte weiterlauschen mögen. Die Musiker präsentierten sich in Topform und machten den Abend zu einem herausragenden Musikerleben besonderer Prägung, das im Gedächtnis haften blieb.