Knorrig braunes Land im Gebirge
HINTERGRUND / TIROL / NS-ZEIT
16/06/11 Nicht gar so oft kommt die Rolle von Musik im Dritten Reich zur Sprache. Eine aktuelle CD-Veröffentlichung in Tirol wird zur Zeit dort heftig diskutiert. Auch der Musikwissenschafter Thomas Nussbaumer, tätig an der Innsbrucker Zweigstelle des Mozarteums, hat dazu Stellung genommen.
Von Reinhard Kriechbaum
Entzündet hat sich der Streit an einer Kantate mit dem kernigen Titel „Das Land im Gebirge“ von einem gewissen Josef Eduard Ploner (Sterzing 1894-Innsbruck 1955). Dieses Stück hat der Komponist dem damaligen NSDAP-Gauleiter Franz Hofer gewidmet. Hofer war unter anderem einer der Hauptverantwortlichen für die Gräueltaten gegen Tiroler Juden in der "Reichskristallnacht" 1938.
Kürzlich ist „Das Land im Gebirge“ auf einer vom Verein "Institut für Tiroler Musikforschung" herausgegebenen Doppel-CD veröffentlicht worden. Menschen mit Wissen um die Zeitgeschichte werfen nun dem Vereinsvorstand, dem Musikwissenschaftler Prof. h.c. Manfred Schneider, einen – vorsichtig formuliert – großzügigen Umgang mit der dahinter stehenden Ideologie vor.
Wie klingt das im Booklet-Text zur CD? „Josef Eduard Ploner war ein geradliniger Mensch, der den Konflikt nicht scheute, wenn es um die gute Sache ging. Sein Charakter war der eines klassischen idealtypischen Tirolers [...]. Die groß angelegte Kantate Das Land im Gebirge op. 109 [...] ist musikalisch in allen Teilen ein beeindruckendes und zutiefst engagiertes Werk, dessen Textgehalt jedoch allzu sehr seiner damaligen Zeit verpflichtet ist und der heutigen Realität nicht mehr gerecht werden kann".
Auch Thomas Nussbaumer, a.o.Univ.-Prof. für Musikalische Volkskunde am Mozarteum in Innbruck, hat sich sehr dezidiert eingegliedert in die Reihe jener, die in diesem Text nicht ohne Grund eine „Schönfärberei und Geschichtsklitterung“, die „allen Standards musikwissenschaftlichen Arbeitens“ widerspreche. Ploners bedauerliche Rolle im Tiroler Musikleben 1938-1945 werde überhaupt nicht erwähnt.
In einem offenen Brief, der derzeit in Tirol die Runde macht, fordern Nussbaumer sowie andere Historiker und Musikwissenschafter, dass der Herausgeber die CD vorerst aus dem Handel nehme und den Einführungstext überarbeite – oder er die öffentliche Subvention für diese CD an das Land Tirol zurückzuzahlen solle. Überhaupt solle das "Institut für Tiroler Musikforschung" bei dieser Gelegenheit genauer evaluiert werden im Hinblick auf seine öffentliche Förderungswürdigkeit. Die Erregung wäre im übrigen durchaus ausbaufähig: Auf dem 2007 neu aufgelegten Kompendium "Blasmusik in Tirol" hat es eine Partiturseite sogar auf den vorderen Umschlag gebracht. Das Werk heißt "Den Namenlosen".
Thomas Nussbaumer verweist auf die am Mozarteum entstandene Publikation von Christian Wolf „Musikerziehung unterm Hakenkreuz. Die Rolle der Musik am Beispiel der Oberschulen im Gau Tirol-Vorarlberg“, veröffentlicht 1998. Dort könne man Genaueres über Josef Eduard Ploners Rolle in der NS-Zeit nachlesen. In Lienz ist nach Ploner übrigens noch eine Straße benannt.Dem Tiroler Landesmuseum scheint die Sache unterdessen zu heiß geworden zu sein: "Google" liefert zwar noch den Hinweis auf die fragliche CD, aber auf der Homepage "Klingende Kostbarkeiten" wird sie nicht mehr zum Verkauf angeboten.