Und wie war das mit dem Kalten Krieg?
CAMERATA / JEFFREY KAHANE
07/03/11 Neuerlich einhellige Begeisterung für die Camerata Salzburg bei deren jüngsten Konzert-Doppelpack (4.3 und 6.3.) zusammen mit dem US-amerikanischen Dirigenten und Pianisten Jeffrey Kahane. „Cold War“: Der Titel mochte irritieren. Hatte doch nur eines der aufgeführten Werke, zumindest was den Zeitpunkt des Entstehens betrifft, mit dem Kalten Krieg zu tun.
Von Horst Reischenböck
In Russland ist das Opus 83 eines der meistgespielten Streichquartette von Dmitrij Schostakowitsch, bei uns aber selten zu hören. Schon gar nicht in der grandiosen Bearbeitung zur Kammersinfonie durch seinen Freund, den im Vorjahr verstorbenen großen Bratschisten und Dirigenten Rudolf Barschai. Für Salzburg war das eine Erstaufführung.
Jeffrey Kahane erklärte, sein spezieller Zugang bilde die Holocaust-Geschichte seiner Vorfahren. Allerdings verweist kein Biograf auf irgendwelche jüdische Bezüge darin und selbst Krzysztof Meyer streift das D-Dur-Werk von 1949 in seinem Schostakowitsch-Standardbuch nur marginal.
Anders als in seinen sonstigen Adaptionen rein für Streicher fügte Barschai der Besetzung nebst Holzbläserquintett, Trompete und zwei Hörnern auch noch Celesta, Xylophon, kleine Trommel und Tam-Tam hinzu. Dadurch steuert die Klarinette mitunter so etwas wie gedämpft Klezmer-artiges Flair bei. Doch gerade das Finale, in dem Schostakowitsch etwas gelang, nach dem er noch Jahre lang in seinen Sinfonien grübeln sollte, kommt dank Barschais Aushören des Materials das Aufrührerische noch weit intensiver zur Wirkung: speziell wenn es so intensiv leidenschaftlich, ja glühend von allen Ausführenden umgesetzt wird!
Zuvor gab’s ein Wiederhören mit einer für Salzburg entstandenen Komposition. Exakt am 27. August 1937 gastierte Boyd Neel mit seinem auch noch nach dem Krieg legendären Streichorchester im Großen Saal des Mozarteums: ein Auftritt im Rahmen der Festspiele, das allerdings Hans Jaklitsch in seinem Verzeichnis übersah. Die Engländer wurden unter der Voraussetzung gebucht, hier ein neues Werk aus der Taufe zu heben. Der Auftrag an Benjamin Britten zeitigte als Resultat die Variationen über ein Thema seines Lehrers Frank Bridge op. 10.
In fünfzehn Episoden wird hier ein Kompendium klanglicher Möglichkeiten ausgebreitet, Lyrisches, dazwischen eingebettet zur Pizzikato-Begleitung die amüsante Aria Italiana oder das Moto Perpetuo, in dem zuletzt ein unentwegt dahin-sirrendes Insekt gleichsam erschlagen wird. Unter Kahanes engagierter Leitung wussten die exzellenten Camerata-Mitglieder Neels wieder aufgelegter Originaleinspielung absolut Paroli zu bieten!
Nicht ganz so begeisterte Jeffrey Kahane allerdings dann nach der Pause als auch Solist in Wolfgang Amadé Mozarts Klavierkonzert Es-Dur KV 482. Schien doch sein Spiel am Steinway die ohnedies spritzig federnde Orchesterassistenz zusätzlich anzustacheln. Die eigene Kadenz, zu der eine zusätzlich dritte Pauke die Auftakt-Noten beisteuern durfte, wirkte auch nicht unbedingt zwingend. Erst ab dem Andante wirkte Kahane mehr vom lokalen Geist inspiriert - vielleicht auch wegen der herrlichen Assistenz der kantabel aufspielenden Bläser-Harmonie der Camerata.