Kammermusikalische Quantensprünge
STIFTUNG MOZARTEUM / HYPERION ENSEMBLE
23/02/11 Die mehrheitlich aus Salzburg rekrutierten sechs Streicher des Hyperion Ensemble sind ein längst auch dem heimischen Publikum liebgewordener Garant für Musizieren auf hohem Niveau. Das bestätigte das Stiftungs-Konzert am Dienstag (22.2.) im Wiener Saal.
Von Horst Reischenböck
Das Programm umfasste gut ein halbes Jahrhundert an Musikgeschichte gleichsam in Quantensprüngen. Luigi Boccherinis umfangreichen Schaffen als gewichtiger Zeitgenosse der Wiener Klassik wird bei uns leider zu Unrecht nur ab und zu eine Nische eingeräumt. Alle Sätze in seinem Streicher-Sextett Es-Dur op. 23 Nr. 1 weichen nur einmal nach Moll aus und entsprechen dem zu seiner Zeit geforderten technisch hochstehenden und unterhaltendem Anspruch. Joseph Haydn hatte jene Quartette, die dann Mozart anregen sollten, noch gar nicht komponiert. Kein Wunder also, dass beispielsweise Christoph Willibald Gluck sich Boccherini gegenüber anlässlich eines seiner Wien-Aufenthalte absolut wohlwollend verhielt.
Fünfzehn Minuten anregende Musik also, von Susanne von Gutzeit und Werner Neugebauer, Violine, den Bratschern Firmian Lermer und Peter Langgartner sowie Detlef Mielke und Erich Oskar Hütter an den Violoncelli durchaus nicht als bloßes Aufwärmstück benützt.
Boccherini hat an die einhunderfünzig Quintette hinterlassen, Mozart lediglich ihrer sechs. Doch im Vergleich folgte er natürlich, und vor allem in seinem vorletzten Lebensjahr, turmhoch überlegen und anderer qualitativer Anforderung.
Der Titel „Composto per un amatore ongarese“ über dem Quintett in D-Dur KV 593 stammt wohl vom Verleger. Irgendwie schwingt gerade in diesem Werk noch so etwas wie gedankliche Beschäftigung mit dem knapp zuvor abgebrochenen Auftrag der „Preußischen“ Quartette nach. Zum Beispiel, weil schon vom Beginn her mit dem Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Violoncello und den übrigen Mitstreitern, aber auch weiterhin, diesem „königlichen“ Instruments immer wieder hohe Präsenz zukommt. Die Ausführung ließ keinerlei Wünsche offen.
Das Hyperion Ensemble hat es natürlich leicht, wechselnde Besetzungen aus eigenen Reihen zu bestreiten, ohne Gäste einladen und auf deren Potenzial Rücksicht nehmen zu müssen. Zwei Violen verlangt Mozarts Quintett, wogegen Franz Schubert in seinem grandiosen Beitrag zum Gattung Quintett, dem C-Dur-Opus 163 D 956, Boccherinis Vorbild folgte.
Mit zudem partnerschaftlich aufeinander eingeschworenem Wechsel innerhalb der Geigenpulte war dies nach der Pause, von allen so empfunden, absoluter Höhepunkt des Abends. Bewiesen nicht zuletzt durch die atemlose Stille nach dem selten so zu hörend tief ausgelotet tragischen Adagio.