Imaginäre Folklore
JAZZIT / SCLAVIS-ROMANO-TEXIER
15/02/11 Luft benötigt man grundsätzlich einmal zum Atmen. Und wer einmal mehrere Stunden in einem winzigen, verschlossenen Raum verbracht hat, weiß spätestens dann, wie sehr man diese für eine klare Wahrnehmung benötigt. - Sclavis-Romano-Texier im Jazzit.
Von Per Peterson
Musikalisch betrachtet ist Luft nichts anderes als ein Synonym für Imagination, für unausgesprochene harmonische Hoffnungen, für das autonome Hören. Und auch hier bedeutet Luft bei aller Knallerei einen Ausschlag-gebenden Faktor für das Wahrnehmen von Feinheiten.
Das französisch-italienische Trio Sclavis-Romano-Texier eröffnete den Reigen der Geburtstags- Darbietungen zum Jazzit-Fest 2011. Es bewies mit der Puste von Marathon-Läufern, dass Musik auch zwischen den Tönen stattfinden kann, und dass das, was übrig bleibt, auch in der Stille zu finden ist: Einklang und Ausgewogenheit.
Freilich: Ohne die richtige Besetzung (Bass, Bassklarinette, Schlagwerk), virtuoses Spiel und den ausdrücklichen Wunsch, das Publikum ein exquisites Gasgemisch vom Fuße des Mont Blanc atmen zu lassen, funktioniert das nicht. Und ohne die feinfühlige Intonation des Bassklarinettisten und Bandleaders „Misteer ünderttausend Volt“ Louis Sclavis erst recht nicht. Flankiert, unterstützt und in der Aussagekraft dem Maestro in nichts nachstehend tauchten der autodidakte Bassist Henri Texier und der Stan-Getz-und – Bud-Powell-Schlageuger Aldo Romano den Jazzit-Saal in gedämpft blau-weiß-rotes Licht, wanderten zwischen freien Texturen und rhythmisch komplex verpackter Folklore, die den Namen nur bedingt verdient: Zu sehr steht der eigenwillige Sound des Kollektivs im Vordergrund.
Ein Höhepunkt des Konzertes: Das schon auf den ganz großen Jazzfestivals zu hören gewesene – und Sklavis zum Soprano wechseln lassende – sanftmütige „Berbere“.