Wer was auf sich hält, steht Kopf
NACHT DER KOMPONISTINNEN UND KOMPONISTEN
01/12/10 Beim „Winterfest“ stehen die Künstler öfter mal Kopf. Im Zirkus ist das fast normal. In der zeitgenössischen Musik stehen vielleicht einmal die Harmonien oder Kompositionsprinzipien, aber selten die Ausführenden Kopf. Bei der „Nacht der Komponistinnen und Komponisten“ im Solitär war das der Fall.Von Heidemarie Klabacher
Die traditionelle Werkschau der IG-Komponisten gab diesmal besonders auch sehr jungen Komponisten und Komponistinnen ein Forum. 21 Biographien listet das Programmheft auf. Die Geburtsjahre reichen von 1991 bis 1926. Eine schöne Bandbreite - innerhalb derer man heuer über die Musik hinaus eine weitere Dimension ausloten wollte.
Die Artistengruppe „Fahrendes Volk“ der Universität Mozarteum hat sich mit einer Performance eingebracht: einzelne Gestalten, die innerhalb der Gruppe einsam und verloren wirkten, waren plötzlich im Raum. Sie bewegten sich mühsam-elegant, qualvoll-stilisiert, eroberten die Bühne - und auch den Luftraum: eine Studentin betörte mit einer Seilnummer, die durchaus „Zirkus reif“ war.
Zu Live-Elektronik und Zuspielband (Werner Raditschnig, Stefan David Hummel, Hannes Raffaseder) hievte das fahrende Volk ratlos schmale Holzpfosten, verwandelte sie in Bilderrahmen, Reckstangen oder Tore - um darauf oder damit zu balancieren und nach etwa zwanzig Minuten einem gemeinsamen Ziel zuzusteuern: Das Kollektiv hat das Potential seiner selbst und des vorhandnen Materials erkannt. Mit Akribie und Sorgfalt haben die Artisten aus den Pfosten eine Brücke gebaut - quasi „geflochten“: durch bloßes ineinander verkeilen.
Die Idee dazu hatte der Artistentrainer Ulfried Kirschhofer: Seine Inszenierung basiert auf einer Skizze aus dem Codex Atlanticus: Das sind 1119 Studien von Leonardo da Vinci in zwölft Bänden, die von Waffen über Flugmodelle, bis zu Brunnen- und sonstigen Förderanlagen quasi die gesamte moderne Technik vorwegnehmen. Auch das Modell einer schnell zu bauenden Brücke (Blatt 55) ist dabei.
Gespielt haben in der von Stefan David Hummel und Klemens Vereno konzipierten „Nacht der Komponistinnen und Komponisten“ das Österreichische Ensemble für Neue Musik, das Ensemble Acrobat sowie Studierende und Absolventen der Universität Mozarteum. Die musikalische Leitung hatte David Danzmayr.
Aufgeführt wurden Werke von Andreas Aigmüller, Ernst Bartmann, Tanja Brüggemann-Stepien, Agustin Castilla-Avila, Wolfgang Danzmayr, Manuel de Roo, Paul Walter Fürst, Herbert Grassl, Jakob Gruchmann, Stefan David Hummel, Josef Irgmaier, Johannes Kotschy, Johannes Krall, Sebastiana Jerna, Alexander Müllenbach, Ludwig Nussbichler, Werner Raditschnig, Hermann Regner, Wolfgang Seierl und Klemens Vereno.