Das hat richtig Spaß und manchmal Lärm gemacht
MOZARTEUMORCHESTER / TREVOR PINNOCK
12/11/10 In Bachs Brandenburgischen Konzerten ist Trevor Pinnock daheim. Mit ihm und unter seiner Leitung musiziert das Mozarteum Orchester mit merklicher Begeisterung. So im jüngsten Abonnementkonzert am Donnerstag (11.11.).
Von Reinhard Kriechbaum
Das Fünfte Brandenburgische Konzert also im Zentrum. Trevor Pinnock hat ein Gespür für seine Partner, und die wissen ihm das zu danken. So ist aus einem Grüppchen, das stilistisch in ganz unterschiedlichen musikalischen Ligen spielt, für diese zwanzig Minuten ein echtes Team geworden: mit der deutliche Artikulationsimpulse setzenden Flötistin Ingrid Hasse, mit dem sich mit sanfter Geigensüße einbringenden Markus Tomasi und natürlich mit Trevor Pinnock selbst, der das ausufernde Cembalosolo im ersten Satz ganz uneitel, mit Understatement, aber auch mit dem nötigen Selbstbewusstsein gespielt hat.
Wie stimmig die Solistengruppe dann im langsamen Satz ins Gespräch gekommen ist, wie „swingend“ die anderen instrumentalen Mitstreiter dann im Finalsatz das Thema aufgegriffen haben - all das garantierte zwanzig ganz undogmatische Bach-Minuten. Es müssen, wie sich wieder einmal zeigte, keine Originalinstrumente sein.
Carl Philipp Emanuel Bachs Musik nimmt immer wieder für sich ein. Die vierte seiner „Orchester-Symphonien“, eingangs in größerer Besetzung gespielt, lebte vom beherzten Zugriff, von den markant eingehaltenen Atempausen. Den Stücken des Bach-Sohnes eigenet Gärkraft, auch wenn sie aus historischer Perspektive als Leichtgewichte erscheinen. Es ist nach-barocke Musik auf dem Weg irgendwohin, das Ziel war damals (1676) noch nicht wirklich definiert. Gerade das macht solche Stücke spannend.
Als Felix Mendelssohn Bartholdy als 23jähriger seine Reformations-Symphonie schrieb, war das Ziel klar: Ein feste Burg ist unser Gott! Zu hören war diesmal die Fassung für Schwerhörige. Sprich: Trevor Pinnock hat mit musikantischer Lust und Laune das Orchester aufgerührt, was zu einer Bläser-Dominanz führte, die manchmal aufs Trommelfell drückte. Pinnock hat die romantische Sprunghaftigkeit wohl mehr interessiert als die klangliche Durchbildung, und so ist die Symphonie herzhaft-musikantisch und ganz unfromm dahergekommen.
Vor dem Konzert wurden Kärtchen ausgegeben, das Publikum hat zwischen zwei Zugabenstücken wählen dürfen, was nicht ganz geklappt hat, weil dann neben Mozarts Titus-Ouvertüre doch ein anderes Stück vorbereitet wurde (statt Mendelssohn der letzte Satz von Schuberts Dritter). Macht nichts – das Publikum hat eh so lange geklatscht, bis beide Stücke gespielt waren und der Abend mit genau zwei Stunden die rechte Konzertlänge erreicht hatte. In Serie gehen sollten solche verordneten musikalischen Demokratiespiele eher nicht: Wer sagt, dass wirklich die Mehrheit der Hörer nach der Reformations-Symphonie eine Zugabe hören wollte?