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Klangbombe mit Drive

KULTURTAGE / RHYTHM OF THE AMERICAS

11/10/21 Geht's um amerikanische Musik, eröffnet ihr Übervater aus dem Norden das Programm. Geht's um die Rhythmen Amerikas, betrifft es den gesamten Kontinent samt Inselwelt: Rhythm of the Americas präsentierte das Mozarteumorchester unter Ido Arad. Das Signum Saxophone Quartet gab dazu das fulminante Concertino.

Von Erhard Petzel

Sinngemäß eröffnete George Gershwins Cuban Overture den Kulturtage-Abend am Freitag (8.10.) im Großen Festspielhaus. 1932 war Gershwin nicht nur ein schon aufgestiegener Stern über dem amerikanischen Kontinent, sein Bemühen um die Errungenschaften der Zeitgenossen aus dem alten Europa fließt ebenso in dieses Stück ein, wie die Faszination an der lateinamerikanischen Musik, die ihn bei einem Aufenthalt in Havanna inspirierte. Den ursprünglichen Titel Rumba lässt er mit guten Grund fallen, wird die Idee einer Ouvertüre der ausdifferenzierten Form des Stückes doch besser gerecht. Der Schlager damals – die noch exotischen Perkussionsinstrumente – hat diese Bedeutung im internationalen Musikbetrieb inzwischen eingebüßt. Damit ist auch das Stück heute mehr ein Zeugnis des Ringens um ein amerikanisches Idiom im zeitgenössischen Umfeld als ein Rumba-Renner Marke Simon-Bolivar-Orchester.

Dirigent Ido Arad schickt sich zwar an, am Pult Samba-Flow anzudeuten, aber ein großes Orchester ist schon räumlich ein Apparat, wo zeitliche Impulse in Latenz stehen und sich Einzelereignisse schwer aus der Klangmasse herausschälen, wenn rhythmisch komplexe Strukturen miteinander konkurrieren. So besticht die Cuban Overture vor allem in ihren vielfältigen kompositionstechnischen Ideen.

Das Motto des Abends ist einem Titel Bob Mintzers entnommen: Rhythm of the Americas wird in der Fassung für Saxophonquartett und Orchester gegeben. Mintzer, seit 2016 Leiter der WDR-Bigband, baut hier auf der Tradition amerikanischer symphonischer Musik auf und thematisiert sie in diesem rhapsodischen Konzert bis zu diversen kreolischen Wurzeln.

Das Signum Saxophone Quartet, seit 2006 ein umtriebiger Player im zeitgenössischen Musikleben, steht hier als Concertino zum Orchester. Mintzer packt sogleich die orchestrale Klangbombe mit Glocken und Blechbässen aus, der bald das Quartett dazwischenfunkt. Convergence of French and English titelt die erste Bewegung, gefolgt von afro-kubanisch geprägten Rhythmen, einer Jazz-Ballade und einem verbindenden Finale unter dem Vorzeichen von Samba.

Das Quartett steht dabei in vielfältigem Wechselspiel zum Orchester mit unterschiedlichen Solo-Einheiten und Kadenzen. Am leuchtendsten in einer von den Streichern eingespielten Air, über die sich das Altsolo von Hayrapet Arakelyan erhebt. Alan Lužar flaniert mit Tenor-Sax über den Posaunenteppich, Blaž Kemperle strahlt mit dem Sopran-Sax über Streichern und Guerino Bellarosa wird am Bariton von den Holzbläsern getragen. Das Klang- und Stilspektrum ist breit gestreut mit etlichen rhapsodischen Elementen und bedient auf technisch diverse Weise die Idee von amerikanischer Idiomatik. Diese erfährt nach der Pause in Aaron Coplands Rodeo. Four Dance Episodes eine witzige Wendung mit gekonnt parodistischem Gestus.

In vier Sätzen wird im Spiel mit redundantem Material hochwertige Registerarbeit im Orchester geleistet mit herrlichen Ideen, wie z.B. ein Quintenspiel als Einleitung zu einem menuettartigen Walzers oder einem Stolpergalopp zu irischem Gefiddle.

Arturo Márquez folgt als mexikanischer Komponist – Alleinstellungsmerkmal des Abends unter lauter US-Kollegen – mit seinem Danzón Nr. 2 uraufgeführt 1994 und später von Gustaveo Dudamel populär gemacht. Lyrischen Kantilenen in Holz und Geige steht ein Orchester entgegen, das den Puls in die Höhe treibt. Den krönenden Abschluss macht Leonard Bernsteins Divertimento für Orchester. Wie keiner sonst versteht er es, die Wirkung gegen den Strich gebürsteter rhythmischer Phrasierung so in das Orchester einzuschreiben, dass sie mit einem Maximum an Schwung und Esprit auch voll zur Entfaltung kommt. Witzige Minigenres stacheln die Aufmerksamkeit auf, sich selbst und jeden blutigen Ernst parodierend. Da kann zur Befriedigung des brausenden Publikums als Draufgabe nur noch Tico Tico folgen.

Die Salzburger Kulturtage bis 19. Oktober - www.kulturvereinigung.com
Bilder: KV / Neumayr / Hofer

 

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