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Schuberts Geist aus Erlkönigs Händen

KULTURTAGE / THE ERLKINGS

07/10/21 Ein Schubert-Abend der anderen Art: The Erlkings mit The Essential Collection in der Szene. Bryan Brenner ist über den großen Teich nach Wien geschwappt und hat hier eigener Aussage nach den Geist Schuberts aufgespürt.

Von Erhard Petzel

Erweckungserlebnis sei Der König in Thule gewesen, der einfach auf die Gitarre zu übertragen gewesen sei. Die Texte der ästimierten Lieder habe er eigenständig in seine Muttersprache übertragen, um gänzlich darin aufgehen zu können. Mit Ivan Turkalj am Cello, Simon Teurezbacher auf der Tuba und Thomas Toppler an der Perkussion nehme er sich die Noten der Lieder mit Klavierbegleitung vor und dann werde entschieden, wer welche Phrase wie und wann übernehme. Im Zentrum steht Brenner selbst als Sänger und Gitarrist.

Tatsächlich bleibt die Gruppe – im Gegensatz zu aktuellen Paraphrasierungen – eng am Original, sodass es sich um pointierte Arrangements handelt, in denen man Schubert ernsthaft und mit Respekt begegnet. Man nimmt Brenner trotz seinem Hang zur Ironie bei der coolen Conference des Programms den romantischen Impetus ab, mit dem er der melancholischen Grundstimmung des Komponisten zu entsprechen trachtet. Ein bisschen kommt das Klischee des Amerikaners zum Tragen, der europäisches Kulturgut auf seinen Groove hinbiegt. Doch wird der Auftritt niemals lächerlich oder billig, vielmehr werden Facetten des Werkes profiliert und sinnlich geschärft.

Einerseits gibt es eine Vergröberung der musikalischen Parameter durch das Stilangebot aus der Besetzung; so klopft die Gitarre bei Auf dem Wasser zu singen einfach Walzerbegleitung und instrumentale Ritornelle stampfen im Beat. Andrerseits verbinden sich die Instrumente zu überraschenden Spezialeffekten und loten in ihrem differenzierten Einsatz neue emotionale Tiefen aus. Einmal klingt es wie elaborierter Irish Folk, dann wie Balladen mit bounciger Klimax. Freier Fado und inniger Liedergestus stehen nicht im Widerspruch zu rockigem Beat oder Anflügen von Latin. Die Forelle wird dann geistreich missbraucht zur Publikumsanimation: die Begleitfigur des Klaviervor- und -zwischenspiels wird vom Publikum unter Brenners Anleitung gejodelt.

Ungewöhnlich auch die Vorliebe der Truppe für Mehrfachfassungen. So werden Schuberts drei Vertonungen von Der Jüngling am Bache und die beiden von An den Mond in chronologischer Folge vorgetragen und mit geschicktem Tarieren der Klangpalette des Ensembles gestaltet. Als besonders schwierig umzusetzendes Lied erscheint die Ballade, die dem Ensemble den Titel gibt. Die geniale Klavierbegleitung im Erlkönig ist so im kollektiven Bewusstsein verankert, dass ein Arrangement ein gewagtes Unterfangen darstellt. Beim fallweisen Einsatz von Kastagnetten könnte der nicht mehr ganz junge Hörer auch an Monty Pythons’ Ritter von der Kokosnuss denken. Doch auch hier werden die unterschiedlichen Stimmungen und dramatischen Konstellationen geschickt ausgereizt und in ausdifferenzierte Bewegungsmodelle umgesetzt.

Gleiches gilt für einen weiteren Goethe. Gretchen am Spinnrad kann zwar in Zeiten von LGTQff ohnehin unabhängig vom eigenen Geschlecht dargestellt werden, das Kunstlied folgt hier seit jeher einer genderneutralen Aufführungspraxis, aber eine Herausforderung ist es doch auch, vor allem, wenn man für die Schluss-Apotheose in die Frauen-Oktave wechselt. Überzeugend aber die geschickt eingefangene äußere wie innere Bewegung im Zusammenspiel des Ensembles. Das bewegliche Cello setzt meist die Gegenstimmen und etliche komplexe Muster durch, mischt sich mit der Tuba zu durchschlagsstarker bis schauerlicher Klangmalerei und erhält – wie auch die Tuba – Melodiesoli. In Totengräbers Heimweh begleiten sie die Stimme unisono ins Grab. Variabel in Material und Einsatz das Schlagwerk, vom Rockergestus bis zur zarten Farbenmalerei.

Bryan Brenner, selbst Songwriter, transformiert Schubert geschickt in ein Umfeld, das beiden entspricht und entgegenkommt, die Stil- und Klangpalette aufbricht und doch wesentliche Elemente des Originals mitträgt. Ein interessanter und mitreißender Vorgang für ein breites Publikum.

Bilder: Filmstills www.theerlkings.com

 

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