Stimmgewaltiger Auftakt
UNI CHORKONZERT / SALZBURG / DRESDEN
07/06/21 Endlich wieder öffentlich auftreten dürfen! Der MozarteumUniChor und der Universitätschor aus Salzburgs Partnerstadt Dresden sangen im Dom gemeinsam Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium Paulus. Gefeiert wurde das Ende der Gesangs-Zwangspause – und das dreißigjährige Bestehen der Städte-Partnerschaft zwischen Salzburg und Dresden.
Von Horst Reischenböck
Paulus steht ein wenig im Schatten seines Nachfolgers Elias und wird - sehr zu unrecht - viel zu selten aufgeführt. Eine willkommene Gelegenheit, das Oratorium nach der heiligen Schrift für Solostimmen,Chor und Orchester zu erleben, bot die musikalische Kooperation der langjährigen Städte-Partner Salzburg und Dresden im Salzburger Dom. Jörn Andresen, seit 2019 Professor für Chorleitung an der Universität Mozarteum, leitete die Neu-Einstudierung mit 190 Beteiligten. Die Solistinnen und Solisten stellte das Department für Gesang, es spielte das Sinfonieorchester der Universität Mozarteum. Den Chor bildeten der MozarteumUniChor und der Universitätschor Dresden gemeinsam.
Von den Chor-Kompositionen der Frühromantik, die an die Tradition eines Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel anzuknüpfen trachteten, haben weder die damals hochgelobten Kompositionen eines Ludwig Spohr noch eines Friedrich Schneider überdauert. Lediglich Mendelssohn vermochte nachhaltige Wirkung zu erzielen. Dieser Wirkung konnte sich nicht einmal Richard Wagner entziehen, er bezeichnete Paulus nach einer Aufführung in Dresden als „großes Meisterwerk“.
Mendelssohns Opus 36 MWV A 14 ist beeindruckend, auch wenn es, abgesehen von den ersten fünfzehn Minuten über das Martyrium des Heiligen Stephanus, nur wenige wirklich zupackende dramatische Passage gibt. Heftig sind etwa die an Johann Sebastian Bach erinnernden rhythmisch pulsierenden „Steinige“-Chöre. Vor allem begeistert in diesem Werk die kunstvoll polyphone Stimmführung. Auch wenn der bekannte Acht-Sekunden-Nachhall im Salzburger Dom solches nicht immer nachvollziehen lässt und neben der musikalischen Durchhörbarkeit auch Textverständlichkeit erschwert.
Nicht auszudenken, wäre die Besetzung der Düsseldorfer Uraufführung mit über fünfhundert Mitwirkenden aufgeboten worden! Am Samstag (5.6.) waren es, laut Angaben 210. Die Sängerinnen und Sänger aus Dresdeneinstudiert von Christiane Büttig, die Salzburger von Markus Obereder und Jörn Andresen. Der Chor punktete unter der musikalischen Gesamtleitung von Jörg Andresen vor allem in den getragenen leisen Passagen.
Es spielte das Sinfonieorchester der Universität Mozarteum, aus dem (zumindest von meiner Sitzposition), nebst den etwas indifferenten Paukenwirbeln gelegentlich die Geige des Konzertmeisters David Elias Moncado im Alleingang herausstach. Eine Ophikleide, ein Vorläufer der Tuba, bereicherte den Klang Richtung Originalklang.
An der Orgel auf der linken Pfeiler-Empore vorne assistierte Stephan Pollhammer, vom rechten Balkon herab verlieh ein solistisches Damenquartett Jesu Worten überidische Wirkung. Glücklich zu schätzen eine Ausbildungsstätte wie das Mozarteum, das imstande ist, die Solostimmen für beide Teile der Apostelgeschichte in allen Hauptpartien jeweils gesondert besetzen zu können! Den Erzähler vertraute Mendelssohn einem Sopran an: Sonnhild Beyer und Heide Baumgartner bestachen mit strahlend makelloser Höhe und Wortverständlichkeit, wobei erstere eine Spur esoterischer, verinnerlichter wirkte. Beide Tenöre – Richard Glöckner, mit schlankem Ansatz und, etwas kerniger, körperbetonter Santiago Sanchez – hielten einander genauso die Waage. Alexander Voronovs Bass verkörperte ideal den jungen aufbrausenden Saulus und gestaltete ihn nach der Bekehrung mit profunder Tiefe. Bariton Benjamin Sattlecker gab dem späten Paulus genauso passende Dimension. Nach zweieinviertel Stunden mit nur einer kurzen Verschnaufpause inmitten erfreuten sich alle engagiert Beteiligten lebhafter Zustimmung.
Bilder: Universität Mozarteum / Christian Schneider