CD? MC? Liederbuch!
HINTERGRUND / ROCKHOUSE / XTRA ORDINARY
20/01/21 Wie geht für junge Pop-, Rock- und andere Musiker die Tür zur weiten Welt auf? Ein bewährter Türöffner ist seit mehr als zwei Jahrzehnten der jährlich vom Rockhouse zusammengestellte Sampler Xtra Ordinary. So etwas wie eine aktuelle Jahres-Leistungsschau der Szene.
Von Reinhard Kriechbaum
Wer da rein beziehungsweise rauf kommt, hat den Durchbruch in höhere Gefilde zwar noch nicht unbedingt geschafft, aber jedenfalls erst einmal die lokalen Kenner überzeugt. Und weil die jährliche Xtra Ordinary-Sammlung oft auch auf den Schreibtischen (und hoffentlich auch in den Abspielgeräten) von Konzertveranstaltern und Musik-Agenten landet, ist den jungen Leuten – Bands und Solisten – eine gewisse überregionale Aufmerksamkeit sicher.
22 Jahre lang ist das gut gegangen und die Veröffentlichung einer neuen Silberscheibe Mitte Jänner gehörte eigentlich zum musikalischen Jahrlauf. Aber irgendwie ist das Format „CD“ bei der Zielgruppe aus der Mode gekommen. Heutzutage wird Musik aus dem Netz gesaugt, am Handy oder sonstwo gespeichert, jedenfalls eher selten auf CD gebrannt. Darauf hat Rockhouse-Leiter Wolfgang Descho (er ist der Mastermind hinter Xtra Ordinary) im Vorjahr auf höchst originelle Weise reagiert: Die 23. Auflage erschien auf dem im dritten jahrzehnt des 21. Jahrhunderts denkbar altmodischsten Ding – auf Musikkassette. Das war natürlich ein Gag. In Wirklichkeit haben die Käufer auch ein Passwort mitgeliefert bekommen, um die Musiknummern zu streamen.
Die CD ist also hoffnungslos out. Aber was nun? Was ist noch mehr retro als eine Musikkassette, eine Schellack-Platte vielleicht? Es gibt natürlich auch auch heuer eine Xtra Ordinary. Es ist die 24. Folge. Aber einlegen, auflegen, reinschieben oder einstecken kann man sie niergendwo. Es ist ein Liederbuch!
„Bei aller Benutzerfreundlichkeit des Streamings und der Downloads, es fehlt ihnen die Haptik, das Analoge, das Endprodukt das man in den Händen halten kann.“ So hatte Wolfgang Descho im Vorjahr die Idee mit der Musikkassette erklärt. Haptisch – das ist ein Liederbuch natürlich auch. Und in diesem aktuellen Songbook mit nicht weniger als 38 Musiknummern von Indie über Reggae, HipHop bis Psych, Post-Punk und Synthpop bekommt man nicht nur die Texte. Jeweils oben drüber finden sich in Griffschrift die Gitarrenakkorde, und im Text stehen die Harmonieangaben.
Zu Liederbuch und Gitarre greifen – das ist natürlich der Gipfelpunkt an Musik-Haptik. „Jenem Buch, mit dem viele ihre ersten Gehversuche an der Gitarre gemacht haben, soll in dieser Form Tribut gezollt werden und gleichzeitig die HörerInnen zum Selbermachen, zum Nachspielen angespornt werden“, sagt Descho. Und er macht den jungen Leuten lange Zähne: „Wer weiß, vielleicht ist man selbst im kommenden Jahr bereits auf dem nächsten Xtra Ordinary vertreten...“ Für jene, die weniger zum musikalischen Do-it-yourself tendieren: Natürlich gibt es auch diesmal den Download-Code fürs echte Streaming. Darum geht es ja.
„Ein nicht unerhebliches Konglomerat an Talent, Spielfreude und Kreativität“, schwärmt Wolfgang Descho angesichts Xtra Ordinary Vol. 24. „Die jährliche Werkschau der Szene gibt einen guten Querschnitt durch das Schaffen der MusikerInnen im letzten, doch recht sonderbaren Jahr.“
Nun lassen wir aber die Rockhouse-PR selbst zu Wort kommen, wir täten den Szene-Jargon niemals so toll treffen: „Eingefunden haben sich heuer diverse, im heimischen Indie Radio reüssierten und hoch gehandelten Band Aushängeschilder, wie Good Wilson mit ihrer, bei Zeiten an die Band War On Drugs erinnernde, Indie-Country-Slide-Gitarren-Nummer „Till We Meet Again“, oder Mynth, die in ihrem Song „Laurel“ in 80er Soft-Pop Gefilden wildern, Kate Bush Vibes nicht ausgeschlossen. Moby Stick lassen den Reggae regieren und steuern den Feel-Good-Jam „I Got Lovin’“ bei. Flirtmachine veröffentlichen eine weitere überraschende Nummer aus ihrem eklektischen Kanon. Der Song „Lovers“ würde sich problemlos in ein Burger Records Regal einfügen. Tadelloser Quirky Lo-Fi Garagen Rock mit der nötigen Prise Unbeschwertheit. Der Rapper Dame ist natürlich wieder mit einem aktuellen Track dabei. „Einsamer Wolf“ entstammt seiner Rock EP, auf der den Gitarren ein prominenterer Spot im Sound zugeteilt wurde. The Velvet Swing geben eine Kostprobe Psych-Post-Punk ab. Freunde der Allah-Las oder der Psychic Ills werden sich hier mehr als zu Hause fühlen. Bei Season Of Plenty fühlt man sich wiederum mehr an alte Aereogramme erinnert, an Ben Gibbard’s experimentelleren Produktionen oder Murder By Death. Indie-Songwriter-Folk meets Indietronica Geplucker.“
Einige weitere Namen: die Singer-Songwriter Amelie Tobien und Julian Nantes, Dandelion und Please Madame (Indie-Rock), U.S.E.R. (Metal), Noyoco (Synthpop). The Voice Breakers haben erst kürzlich ihr Debüt im Rockhouse absolviert.