Hexenreigen auf Turbobesen
MOZARTEUMORCHESTER / MINASI
11/09/20 Lachen ist gesund. Lachen ist gefährlich. Wer lacht hat keine Angst und fürchtet sich nicht. Tyrannen und Despoten aber fürchten das Lachen. Ob das auch für Viren gilt? Eher nicht. Jedenfalls entfachte das ungeniert heitere, lauthals fröhliche Saison-Eröffnungskonzert des Mozarteumorchesters die wohltuenden Wirkungen des Lachens.
Von Heidemarie Klabacher
Stalin, auch so ein blutrünstiger Diktator, war gar nicht amused über das Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr. 1 op. 35 des jungen Dmitri Schostakowitsch. Ein Karneval in Noten ist das. Will eine kleine Melodie träumend ersterben, poltern Pauken und Trompeten drauf los. Erwartet man eine feierliche Kadenz, folgen wilder Galopp oder banaler Gassenhauer. Im scheppernden Fortissimo. Die Solotrompete ist überhaupt gemeingefährlich und auch das Soloklavier geht – natürlich in den unpassendsten Momenten – auf Konfrontationskurs mit der jeweils herrschenden Grundstimmung. So blöd ist kein Diktator, die Provokation nicht zu erkennen (sonst kapiert es der Propaganda-Chef).
Die Pianistin Katharina Treutler und Wolfgang Navratil-Gerl, seit 2004 Solotrompeter des Mozarteumorchesters, stürzten sich hinter dem schelmischen Rattenfänger Riccardo Minasi mit Lust und Übermut in dieses verrückte Labyrinth – gefolgt vom Mozarteumorchester mit Verve und Wendigkeit bis in die engsten Kurven und schrägsten Kapriolen: Eine ungeniert draufgängerische ur-musikantische Lesart dieses Meisterstücks der musikalischen Ironie.
Klassisch heiter, in der Interpretation elegant und delikat, war dagegen der Einstieg in das erste Donnerstagskonzert (10.9.) im Großen Saal des Mozarteums mit Ottorino Respighis Suite Nr. 3 den Antiche Danze et Arie für Streichorchester. Der Komponist zitiert quer durch die Musikgeschichte und hat sich mit den 1932 uraufgeführten Tanzsätzen – „alte“ Musik im klassisch-romantischen Sound – einen Fixplatz im Herzen des Publikums erobert. Das federleichte Pizzicato der Celli, über dem sich das Andante entfaltet. Die vielfältigen, klangrednerisch geführten Übergänge zwischen den einzelnen Tanzrhythmen. Die film-musik-reifen Crescendi, die bei aller Klangfarbenpracht transparent blieben und nie die Leinwand sprengten: Ein delikates Vergnügen, das Riccardo Minasi und die Streicher des Mozarteumorchester ihrem Publikum bescherten.
Die Bläser, die schon bei Schostakowitsch auf ihre Rechnung gekommen waren, hatten ihren Hauptact freilich in Joseph Haydns Symphonie Nr. 88 G-Dur Hob. I:88: „Haydns fröhlichste Symphonie“ heißt es trefflich im Programmheft: Auch in diesem Werk werden Erwartungen raffiniert unterlaufen, kommen Pauken und Trompeten ungeniert zum Einsatz, wenn man höfische Eleganz oder gesetzte Feierlichkeit erwartet. Eine Verwandtschaft über Jahrhunderte und Grenzen hinweg zwischen Haydn und Schostakowitsch? Brüder im Geiste jedenfalls.
Die Transparenz, die auch hier bei aller Turbulenz im Satz und aller Lautstärke in der Interpretation erhalten blieb. Die überdimensionale Drehleier im Trio. Das Finale als funkensprühender Kehraus fast schon ein Fall für die Feuerwehr: Bravi!
Alle Termine des Mozarteumorchesters - www.mozorch.at
Mit Beginn der Spielzeit stellt das MOS die Werkeinführungen mit Gottfried Franz Kasparek als Podcast und das jeweilige Abendprogrammheft kostenlos zum Download zur Verfügung (gedruckte Programmhefte gibt es weiterhin beim Konzert zu kaufen) - www.mozorch.at
Bilder: dpk-klaba