Nachtmusiken
CAMERATA / GREGORY AHSS
02/03/20 Das dritte Saisonkonzerte der Camerata Salzburg (28.2. und 1.3) im Großen Saal des Mozarteums war auf Antonín Dvořák hin fokussiert. Dazu versicherte sich das Orchester der Mitwirkung von Bernarda Fink und ihrem grandios ausdrucksstarken Mezzosopran.
Von Horst Reischenböck
Selbst bei Dvořák ist man vor Überraschungen nicht gefeit. So gab es gleich zu Beginn am das Nokturno in H-Dur op. 40 zu entdecken. Kein Schreibfehler, der Komponist hat‘s selbst so betitelt. Es entstammt einem Streichquartett aus Dvoraks Jugend und wurde von ihm der Ausführung durch größere Besetzung für würdig befunden. Genauer betrachtet: Die originalen Takte 5 bis 28 wurden umfangreich zu einem mehrheitlich doch eher pessimistischen Einsätzer erweitert. Schon hier konnten die zweiundzwanzig Streicher, gleichermaßen subtil wie bestimmend von Konzertmeister Gregory Ahss angeführt, ihrer längst allgemein bekannt hohen Spiel- und Klangkultur frönen.
Nach dieser mutmaßlich Salzburger Erstpräsentation lag die unmittelbare Fortsetzung in Gestalt der allbekannter E-Dur-Streicherserenade op. 22 förmlich auf der Hand. Darin frönte Dvorak zum Unterschied zu seinem Mentor Johannes Brahms und dessen wesentlich umfangreicher angelegten Werken jenem Typus, dessen sich auch Kollegen wie Robert Fuchs oder Pjotr Iljitsch Tschaikowsky befleissigten. Die fünf abwechslungsreich angeordneten Sätze gerieten hier zu einem duftig durchformten und blumig ausgehorchtem Bukett. Geistreiche Unterhaltung, in bester Camerata-Laune präsentiert.
Nach der Pause kontrastierte dazu ernste Nachtstimmung der Seele. Dvořáks USA-Aufenthalt war nicht ungetrübt. Das schlug sich beispielsweise in seinen zehn Biblické Písně op. 99 auf von ihm selbst ausgewählte Verse aus Psalmen nieder. Hörbar von Heimweh geprägt wie in dem zunächst entstandenen, dann aber an siebter Stelle gereihten „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten“. Man kann aus diesen Stücken auch eine zutiefst persönliche Auseinandersetzung mit Leben und Tod herauslesen. Die ersten fünf Lieder orchestrierte Dvořák selbst für kleines Ensemble inklusive je zwei Flöten, Klarinetten, Hörnern, Trompeten und Pauken. Gelegentlich, wie gegen Schluss der Nr. 3, wo‘s um Fliegen von Tauben sowie um Sturmwind geht, auch durchaus romantisch lautmalend. Landsmann Vilém Zemánek fügte dann im selben Geiste die Instrumente dem zweiten Fünfer-Set an, das mit „Singet dem Herrn ein neues Lied“ doch noch positiv endet.
Dvořáks nannte diese Liederfolge das in seinem Leben „Beste, was (er) bis jetzt auf diesem Gebiet geleistet habe“. Sie ist praktisch ein Gegenstück zu Brahms‘ Vier ernsten Gesängen. Bedürfen allerdings absolut, wie auch hier zu erfahren, zur perfekten Kongruenz mit der Musik dem original tschechischen Idiom. Das stand bei Bernarda Fink, in Argentinien als Tochter slowenischer Emigranten geboren, in Kärnten ansässig und längst auch in Salzburg bekannt, natürlich außer Frage. Zutiefst emotional und doch edel unprätentiös im Dienst an der Sache sich zurückhaltend setzte sie ihre facettenreiche Stimme in bestem Einverständnis zusammen mit der assistierenden Camerata ein.
Den Konzertabschluss bildete dann Mozarts Jugend-Sinfonie in A-Dur KV 201. In sie zauberte die Camerata, vom lieblichen Kopfsatz über das zärtliche Andante hinweg, auch einen Hauch abendlicher Unterhaltung, gipfelnd im tatsächlich „con spirito“ dahin wirbelnden Finale. Das war so recht dazu angetan, Beifallsstürme nach sich zu ziehen.
Bild: Camerata Salzburg / Pia Clodi