Weiße Nächte
KULTURVEREINIGUNG / KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN / DMITRI KITAJENKO
06/02/20 Vor fünf Jahren weilte das Konzerthausorchester Berlin das letzte Mal bei uns. Schon zuvor bereicherte das Orchester, als Berliner Sinfoniker gern gesehen, immer wieder das Angebot der Kulturvereinigung. Als Auftakt zu den drei Abenden diesmal ein rein russisches Programm unter Dmitri Kitajenko.
Von Horst Reischenböck
Draußen, vor dem Großen Festspielhaus, klirrte Mittwochabend die Kälte. Im Innern gleich zu Beginn emotional widergespiegelt durch vier Suitensätze von Sergej Prokofjew, mit denen er sein grandioses Ballett Romeo und Julia, schon ehe es auf die Bühne kam, vermarktete. Nach den explizit ausgespielten mörderischen Dissonanzen zu Beginn von Montagues und Capulets der waffenstarrende Tanz der Ritter, inmitten zärtlich aufgelockert durch Julia, der auch die nächste Episode gewidmet war. Die Masken führten in den unglücklichen Zweikampf von Mercutio und Tybalt mit dem erschütternden Trauermarsch auf dessen Tod.
Der mittlerweile 70jährige Dmitri Kitajenko, über Jahre Erster Gastdirigent des Orchesters, setzte seinen Taktstock zurückhaltend ein. Dafür ließ er der ganzen klingend orchestralen Bandbreite von Celesta über Klavier, Harfe, dem perfekt ausgewogenen Hornquartett dahinter, bis in die warm tönende Holzbläsergruppe hinein und die drei drastisch schneidenden Trompeten den ihnen gebührenden Vortritt.
Nach diesem überwältigenden Auftakt eine kleinere orchesterbesetzung, ging es doch um Pjotr Iljitsch Tschaikowskys intime Variationen über ein eigenes „Rokoko“-Thema in A-Dur op. 33. Der Solist der Uraufführung, Wilhelm Fitzenhagen, veröffentlichte seine Bearbeitung mit der Behauptung, sie sei von Tschaikowsky. Der Komponist bedankte sich mit den Worten: „Der Teufel soll‘s holen!“ Seit 1941 wäre die originale Fassung wieder zugänglich, fünfzehn Jahre später wurde sie gedruckt. Aber diese Originalfassung wird auch heute noch selten gespielt.
Auch die 26jährige Meistercellistin Anastasia Kobekina vertraute der gewohnten werk-Gestalt. Weiß gekleidet wie die Primaballerina eines Balletts sang sie sich auf ihrem Guadagnini-Cello in die zugrunde liegende Melodie, steigerte virtuos die geforderten Läufe bis ins Flageolett hinein und wirbelte vital durchs Finale. Für den stürmischen Applaus bedankte sie sich mit dem Prélude aus Johann Sebastian Bachs G-Dur-Solosuite Nr. 1 BWV 1007.
Dann waren große, wabernde Klänge angesagt. Schon 1982 hatte Kitajenko, damals mit den Moskauer Philharmonikern, im Großen Festspielhaus mit Sergej Rachmaninows Zweiter Sinfonie in e-Moll op. 27 für Furore gesorgt. In Tschaikowsky-Nachfolge beschreibt der Kopfsatz zuvorderst eher letargisch anmutende Gemütszustände, die sich erst nach und nach kämpferisch lösen. Es folgt ein viriles Allegro molto, an das sich im Adagio erst recht melancholische Seufzer der Streicher und Holzbläser anfügen. Das stieß bei einem Bravo-Rufer auf spontanen Widerhall. Alles endet aber eher in einem Pyrrhus-Sieg – Triumph indes für die großartige Interpretation der Gäste von der Spree!