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Emotion gesucht!

KULTURVEREINIGUNG / ICELAND SYMPHONY ORCHESTRA

14/11/19 Dieser Tage war der Fall der Berliner Mauer vo rdreißig Jahren, das Ende der Abschottung Zentralmitteleuropas, das Thema schlechthin. Man könnte aus dem Anlass auch darüber nachdenken, was das für das Musikleben bedeutete.

Von Reinhard Kriechbaum

Bis dahin waren es Orchester aus dem Ostblock, die bei Konzertveranstalter wie der Salzburger Kulturvereinigung den Ton angaben. Als die freie Marktwirtschaft auch in der Kultur Osteureopas einzog, waren diese Ensembles nicht mehr so preisgünstig zu haben, und so wurden alsbald andere Orchester aus der westlichen „Provinz“ salonfähig. Auf die Idee, ein Orchester aus dem isländischen Reykjavik auf Reisen zu schicken, wäre einst wohl niemand gekommen.

„Provinzorchester“ gibt es eigentlich kaum noch: Die mörderische Konkurrenz um Orchester-Anstellungen hat dazu geführt, das selbst geographisch entlegene Orchester sich bei Neubesetzungen die Rosinen herauspicken können aus dem Überangebot bestens geschulter Musiker. So kann sich auch das in seiner Altersstruktur eher junge Iceland Symphony Orchestra, an drei Abenden (13. bis 15.11.) Gast bei der Kulturvereinigung im Großen Festspielhaus, gut hören lassen.

Trotzdem konnte sich am Mittwoch der Verdacht einschleichen, dass der nicht geringe ökologische Fußabdruck einer solchen Orchester-Konzertreise doch deutlich tiefer ist als der künstlerische. Geysire produzieren jedenfalls deutlich mehr Energie, mehr Wärme als das Iceland Symphony Orchestra unter Dániel Bjarnason an diesem Abend. Eine Blütenlese aus Edvard Griegs beiden Peer-Gynt-Suiten erbrachte ebenso ein Ergebnis ohne Befund wie die Begleitung zu Mozarts Drittem Hornkonzert. Da kann nichts schief gehen, wenn ein Meister seines Fachs, Radovan Vlatković, mit fast unnachahmlich samtenem Ansatz den kantablen Horn-Linien nachspürt.

Auf dem Plakat, das die Kulturvereinigung drucken hatte lassen, waren vorsorglich nur diese beiden Werke angeführt. Wer will sein Publikum schon mit einer Sibelius-Drohung abschrecken? Dessen Fünfte Symphonie wurde erst auf dem Titelblatt des Programmhefts genannt. Sie schloss den Abend ab, und da hat man wirklich schmerzhaft erfahren können, dass diesem in den jahren des Ersten Weltkriegs entstandenen Stück, dem duchaus expressiver Duktus eignet, mit sachlich-ordnender Kapellmeisterei allein nicht beizukommen ist. 35 Minuten können lang sein, aber es gab natürlich, nachdem sich der Finalsatz endlich seinem Ende zugewalzt hatte, braven Beifall.

Dazwischen Zeitgenössisches: Anna Thorvaldsdottir hat 2011 das Stück Aeriality komponiert, das Melos und Rhythmus weitgehend ausblendet zugunst stehender Klänge in einprägsam-griffiger, sogar kantiger Instrumentierung. Auch das eine weitgehend emotionsbefreite Wiedergabe.

Das gleiche Programm ist heute Donnerstag (14.11.) im großen Festspielhaus zu hören, morgen Freitag (15.11.) gibt’s ebenfalls peer Gynt, dann ein Klavierkonzert von Dániel Bjarnason und Tschaikowskys Vierte Symphonie – www.kulturvereinigung.com
Bilder: SKV / RV (1)

 

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