Die Musik braucht Frauenstimmen
HINTERGRUND / CLARA SCHUMANN
14/11/19 Clara Schumann (1819-1896) ist die wohl am besten dokumentierte und berühmteste Komponistin der Vergangenheit. Zu hören ist ihre Musik aber selten. Im Gedenkjahr zum 200. Geburtstage gab es in Salzburg immerhin ein sehr schönes Konzert im Wiener Saal – und nun folgt ein Projekt im Solitär der Universität Mozarteum.
Von Gottfried Franz Kasparek
Clara Schumanns schwierige Kindheit als Tochter des diktatorischen Klavierpädagogen Friedrich Wieck, ihre gefeierten Wunderkind-Auftritte, ihre gegen den väterlichen Willen erkämpfte Ehe mit dem fast ein Jahrzehnt älteren Robert Schumann, ihre innige Lebens-Freundschaft zum 14 Jahre jüngeren Johannes Brahms, der tragische Tod ihres Gatten in der Nervenheilanstalt Endenich am Rhein, ihre glanzvolle Tätigkeit als Pianistin bis ins hohe Alter, ihr ambivalentes Verhältnis zu ihren Kindern, deren Erziehung sie großteils ihrer Laufbahn opferte – das alles macht sie zur bis heute bestens bekannten Künstlerin, zum ebenso umstrittenen wie erfolgreichen „Star“ aus einer Zeit, in der es nicht üblich gewesen ist, dass Frauen ihre Karriere dem Privatleben vorziehen.
Das alles verdunkelt allerdings den Blick auf ihr relativ schmales kompositorisches Schaffen, das sich auf die Jahre 1828 bis etwa 1853 konzentriert, sieht man von wenigen späteren Gelegenheitswerken ab. Neben einem brillanten Klavierkonzert und einem gehaltvollen Klaviertrio entstanden Charakterstücke für ihr Instrument, Joseph Joachim zugedachte Romanzen für Violine und Klavier und bedeutende Lieder.
Wie wurde denn so komponiert im Hause Schumann? Dazu Beispiele. Zu Weihnachten 1840 entstehen die vier Jahre später überarbeiteten „Sechs Lieder op. 13“ Claras. Der kleine Zyklus findet zwar die Anerkennung Roberts, doch wenig später schreibt er: „Clara hat eine Reihe von kleineren Stücken geschrieben, in der Erfindung so zart und musikreich, wie es ihr früher noch nicht gelungen. Aber Kinder haben und einen immer fantasierenden Mann und komponieren, geht nicht zusammen (…).“ Die Probleme des Künstlerpaars werden hier offen angesprochen. Immerhin fördert der Gatte die Herausgabe der Stücke.
Doch schon 1841 konzipiert Clara ihre einzige Klaviersonate. Bereits im März 1841 war sie wieder als Solistin aufgetreten, erstmals als verheiratete Frau. Das Künstlerehepaar verblüfft die Mitwelt sogar mit einem zu zweit komponierten Liederzyklus „Liebesfrühling“ auf Texte Friedrich Rückerts – zu zweit insofern, als beide ihre eigenen Gesänge dazu beisteuern, ohne in der Veröffentlichung die Autorschaft zu nennen. Dies wird Clara erst nach dem Tod Roberts im Rahmen der Herausgabe seiner Werke tun. Trotz der Schwangerschaft, trotz der glücklich verlaufenen Geburt von Tochter Marie am 1. September, trotz aller Bemühungen, dem Gatten ein „gemütliches Nest“ zu richten, hört Clara zunächst nicht auf, ihren Weg als Komponistin und Pianistin weiter zu verfolgen. Schon im November konzertiert sie in Weimar, trifft Franz Liszt und – „der Champagner floss wie in Bächen“, nachzulesen im Tagebuch. Nach einem Gastspiel in Leipzig, wiederum mit Robert gemeinsam, zieht sie sich im Dezember zum Komponieren zurück. Über die kleine Marie wäre ohnehin nichts zu berichten, außer dass sie tränke und schliefe.
Nach Roberts Tod stellt sie das Komponieren praktisch ein. Sie seht ihre Berufung in der „Reproduktion schöner Werke“ und resümiert: „Ich glaubte einmal, das Talent des Schaffens zu besitzen, doch von dieser Idee bin ich zurückgekommen. Ein Frauenzimmer muss nicht componieren wollen - es konnte noch keine, sollte ich dazu bestimmt sein?“ Hört man heute die poesievolle Melodik ihrer Heine-Lieder, die feinen Charakterbilder ihrer Klaviermusik oder das eigentümlich kreative Klavierkonzert, bedauert man diese Resignation.