Abschied und Apotheose
MOZARTEUMORCHESTER / RICCARDO MINASI
08/10/19 Glinka, Bartók und Saint-Saëns hat das Mozarteumorchester schon früher gespielt. Also war‘s nicht Neuland, das mit der ersten Sonntagmatinee der Saison im Großen Festspielhaus betreten wurde. Aufregend war die Expedition dennoch dan der musikantischen Leidenschaft von Chefdirigent Riccardo Minasi und des Ausnahme-Bratschers Antoine Tamestit.
Von Horst Reischenböck
Unter all den Opernouvertüren gibt‘s für Hörer ihrer zwei absolute Muntermacher. Die zu Leonard Bernsteins Candide und jene auskomponierte Illustration des Durcheinanders in einer Küche, die Mikhail Glinka seiner Oper Ruslan und Ludmilla voranstellte. Für die Ausführenden ein forderndes Virtuosenstück, Futter für das Temperament von Riccardo Minasi, um das Mozarteumorchester in feurige Wirbel zu stürzen.
Zwei kürzere Werke am Anfang – das war auch insofern klug programmiert, als sich das Parkett erst danach füllte. Verhinderte der Jedermann-Lauf nicht nur zeitgerechte Einfahrt in die Parkgaragen, sondern erschwerte auch den Taxis die Zufahrt zum Großen Saal. Was wieder die Frage provoziert, ob Sportveranstaltungen immer und unbedingt im Altstadtbereich starten und enden müssen.
Wenigstens zum ersten Hauptwerk des Sonntag-Vormittags (6.10.), zu Béla Bartóks Violakonzert Sz 120 BB128 waren dann die Sitzplätze von allen erreicht. Wenn es heißt, „zuviele Köche verderben den Brei“, gilt das im Fall dieses Opus ultimum mitnichten. Der zwanzige Jahre jüngere, mit Bartók befreundete Tibor Serly, hat nach Bartóks Tod 1945 die Skizzenblätter zu ordnen und zum Ganzen zu fügen getrachtet: In dieser Gestalt geriet das Violakonzert zu einem der gewichtigsten Beiträge für die Bratsche des vergangenen Jahrhunderts – bei dem das Mozarteumorchester in der Vergangenheit mehrfach etwa Veronika Hagen zur Seite stand.
Neuere Erkenntnisse veranlassten Bartóks Sohn Peter zu einer Revision, bei der Paul Neubauer, Schüler des einstigen Auftaggebers William Primrose, den Solopart überarbeitete. Um Unterschiede detailliert ausfindig zu machen, bedürfte es allerdings beider Partituren. Jedenfalls erklang diesmal und damit mutmaßlich zum ersten Mal in Salzburg diese Version von Dellamaggiore und Peter Bartók. Der Solist Antoine Tramestit war von Anfang an in nahezu permanentem Einsatz quer über alle Register seines vollmundig tönenden Instruments: Nach erster Attacke stimmte er meditativ den mit Lento bezeichneten Abschiedsgesang an. Danach ein allerletztes rhythmisch pusierend finales Aufbäumen: Das Mozarteumorchester wob Tamestit dazu in jedem Moment einen wunderbar durchsichtigen Klangteppich. Basis für den Solisten, sich darauf ungehindert verströmen zu können. Die Seelengemeinschaft zwischen Minasi und Tamestit bewiesen dann beide an einer Miniatur, zu der sich der Dirigent die Geige des Konzertmeisters ausborgte.
Camille Saint-Saëns Symphonie Nr. 3 c-Moll op. 78 Orgelsinfonie ist eigentlich die dessen Fünfte: gewürzt französischem Esprit, gallischer Melodik und vollmundig aufrauschenden Orchesterklängen. Ein Werk, das die Hörerschaft spontan anspringt - begeisternd von allen Instrumentalgruppen ausgeführt und entsprechend lebhaft bedankt.