Ekstase mittleren Levels
MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE
27/05/19 Das Trompetensignal erinnerte eher an grauen Krieg als an verklärte k&k Seligkeit im grünen Rock. Der Kondukt ließ viele Feinheiten im Bläsersatz hören, aber keinen gemeinsamen Atem spüren – und kam daher, wie die leicht verzerrte Tonspur zu einem Fellini-Film: Mahlers „Fünfte“ in der Sonntagsmatinee.
Von Heidemarie Klabacher
Sie erzählt von einer Zeit des Über- und des herauf dämmernden Untergangs. Der alte Kaiser, schon 1904 im Jahr der Uraufführung von Mahlers Symphonie Nr. 5 cis-Moll nicht mehr der Jüngste, sitzt wohl noch um vier Uhr in der Früh am Schreibtisch über seinen Akten nach kurzem Schlaf im Feldbett nebenan. Aber seine Völker hegen schon den Gedanken, dass dieser Herrscher von Gottesgnaden womöglich doch nicht auf immer ihre Geschicke führen wird...
Unter der Leitung eines Chefdirigenten erinnerte das Mozarteumorchester im leicht disparat wirkenden ersten Satz in seinen Instrumentengruppen an die Völker jenes Staates, dessen Untergang von Mahler in seinem Werk immer wieder hellsichtig antizipiert und beklagt wird – und die sich irgendwann nur mehr unwillig unter das gemeinsame Joch beugten. Der ein wenig stolpernde Kondukt wirkte eher bizarr, als bewegend, von großem Effekt war allerdings schon der erste dramatisch dissonante Aufschrei.
Überzeugend war denn auch der zweite Satz, dessen immanente Unruhe dem unruhevollen, oft gar hektischen Zugang des Chefdirigenten Riccardo Minasi entgegen kam. - Wie überhaupt in dieser Interpretation das Bewegte, Dynamische und Bizarre mehr Überzeugtunskraft hatte, als das Klangvolle und Verinnerlichte.
Ein einziger Hit jedenfalls der zweite Satz Stürmisch bewegt in seinen zahllosen Facetten: Das Pianissimo des Cellos über dem pianissimo der Pauke. Die bewegenden Crescendi der Posaune. Das enorme Energiepotential des Crescendos hin zum erhebenden Bläserchoral. Das Nichts, das geradezu physisch im Raum stehen blieb nach dem Zusammenbruch der sich aufbäumenden Hoffnung: Gespenstisch. Ein Ehrensalut schon an dieser Stelle an alle Bläser!
Das Tänzerische des Scherzos mit seinen unzähligen Walzer-, Landler- und sonstigen Tanzweisen und Bocksprüngen, changierte in der Wirkung zwischen dem stolpernden Abfallen des Tempos und dem immer wieder in Fluss- und Schwung-Kommen einer Grammophon-Platte - interpunktiert vom grandios kontrolliert und doch so raumgreifend gespielten Solohorn.Das Ende in Sprachlosigkeit ließ den Atem anhalten.
Der sich noch einmal aufbäumende Walzer – ohnehin zerschlagen vom Peitschenknall – wirkte dämonisch. Das legendäre Adagietto hat man einfach schon zu oft in sich ruhender, geschlossener, homogener und überirdischer erlebt, um ernsthaft in Ekstase zu geraten.
Ein mitreißendes Erlebnis wiederum war das Rondo-Finale, besonders der als grandioses Crescendo perfekt inszenierte Aufschwung nach dem neuerlichen Absturz ins Nichts hinauf in die lichten Höhen eines letzten ungetrübten Triumphs.