Cellolied. Posaunenfurz.
CAMERATA SALZURG / ALONDA DE LA PARRA
07/10/18 Die mit Neugier, Spannung und mit hohen positiven Vor-Urteilen erwartete amerikanisch-mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra hat bei Ihrem Salzburg-Debüt am Pult der Camerata ihr Publikum begeistert mit musikantischer Beredsamkeit und mitreißendem Drive - virtuos kontrolliert mit leichtester Hand.
Von Heidemarie Klabacher
Dabei stand zunächst gar keine leichte Kost, sondern ein eher schwer Brocken auf dem Programm. Ausgerechnet mit Ludwig van Beethovens Tripelkonzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op. 56 eröffnete Alondra de la Parra am Freitag (6.10.) ihr Debütkonzert am Pult der Camerata Salzburg zusammen mit dem Solistentrio Alexander Melnikov Klavier, Gregory Ahss Violine und Alexander Rudin Violoncello.
In die spannungsvoll erblühende, ganz und gar symphonische Eröffnung klinkte sich das Solistentrio zunächst fast vorlaut ein. Bei aller Ausgewogenheit im kammermusiklaschen Miteinander, stachen die Soloinstrumente immer wieder aus dem subtil aufgefächerten Gesamt-Sound hervor, wie die Parts allzu fürwitziger Stimmführer. Das Tippelkonzert ist ohnehin kein „typisches“ Solistenkonzert (nur halt für drei Virtuosen statt einem). Seine überwältigenden Aussichten auf dem Grenzpfad zwischen Konzert und Symphonie offenbaren sich in der Balance zwischen Soli und Orchester – zu der man ab dem zweiten Satz dann auch gefunden hat.
Schlicht wie ein Lied und fast ohne Vibrato ließ Alexander Rudin das Largo-Thema erblühen. Dazu die von Alexander Melnikov glasklar artikulierten zerlegten Klavierakkorde, der Geigenglanz von Gregory Ahss und die innigen Bläserharmonien: Der Klang von Orchester und Solisten amalgamierte zu bewegender Schönheit. Geradezu ein Hit war der Rondo-Satz „alla polacca“. Alondra de la Parra führte mit Witz und Drive und spürbarer Lust durch den Facettenreichtum der vielfältigen „Volkstanz-Feste“. Immer wieder aufhorchen, ja auflachen, ließen Dirigentin und Orchester, und natürlich noch immer die drei Solisten, mit den so aberwitzigen wie witzigen phrasierten Übergängen, die an einer Stelle ja direkt und radikal an die Grenze der Auflösung alles „Klassischen“ führen. Auch diesen Blick hat de la Parra ihrem Publikum zugemutet, um es gleich wieder vom Abgrund zurückzureißen, den Beethoven da andeutet, eindeutig noch zu früh für seine Zeit.
Hat der dritte Satz Beethoven schon zum Tanzen – sei es mit Satin- oder mit Nagelschuhen – angeregt, stand mit Igor Strawinskis Pulcinella Suite tatsächlich Ballettmusik auf dem Programm. Orchester und Dirigentin loteten mit beredtem Witz und ungeniert ausgespieltem Klangsinn die Episoden aus dem Leben des deftigen Komödianten Pulcinella aus – um farbigste Genreszenen in den Saal zu zaubern: Das Spiel mit verfremdeten barocken Tanzformen und originalen Barocknummern, die Strawinskis Musik zugrunde liegen, wurde von der amerikanisch-mexikanischen Dirigentin stilkundig aufgegriffen und verwandelt in klingende Comedia dell’arte. Mit einem Hauch moderner Ironie.
Ähnlich, nur halt klassisch, statt barock grundiert, „tickt“ Sergej Prokofjews Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 Symphonie Classique, die das Programm des ersten Abo-Konzerts der Camerata im Großen Saal des Mozarteums denn auch dramaturgisch rundete. Alondra de la Parra setzte auf die Klassik-Kompetenz der Camerata Salzburg seit Sandor Vegh und brachte das kleine frühklassische Werk, entstanden mitten im ersten Weltkrieg, zum Strahlen - und den hier ebenfalls angelegten ronischen Grenzgang zwischen Zeiten und Stilen zu virtuoser Wirkung.
Bilder: Camerata / Erika Mayer