Gott hält das Pedal gedrückt
KOLLEGIENKIRCHE / PAULUS
18/06/18 Kontrapunktik mit Chor und Orchester ist mit dem barocken Repräsentationsbedürfnis beim Kirchenbau nicht wirklich kompatibel. So bot sich die Kollegienkirche zwischen Reisauflauf (ein Sommerszene-Projekt) und akustischer Festspielausstattung für Mendelssohns „Paulus“ als hallendes Ungeheuer dar.
Von Erhard Petzel
Akustisch ein wenig konzilianter als der Dom ist dieser Raum ja doch. Aber schon die Ouvertüre mit ihren Fugati macht klar, dass hier Gott bei sich zu Haus ständig das Pedal gedrückt hält. Chor (Cantorey Salzburg) und Orchester geben dann ein breites Klangmeer ab, das sichtbar gut einstudiert auf optische Steuerung durch Kapitän Gordon Safari eingestellt war. Die Koordinationsleistung der Ensembles war sicher meisterlich, muss es doch aus der Position des einzelnen Musikers und Choristen enorme Konzentration erfordert haben, sich bei diesem Raumklang auf das Ganze zu fokussieren.
So brauchte es für die Orgel (Markus Stepanek) einen Co-Dirigenten (Johannes Forster), um das Wort Gottes oder der Propheten mit einer eleganten Corona zum Leuchten zu bringen. Die Solisten profitierten vom Umstand, dass die Komplexität der Strukturen und die räumliche Breite in ihrem vornehmlichen Einsatzbereich eingeschränkt sind. Electra Lochheads geschmeidiger Sopran entzückte als Evangelistin ebenso wie als Gotteswort. Max Kiener legte seinen Einstand als Märtyrer Stephanus wie eine Opernrolle an, die er auswendig gelernt hat: mit einem verträglich dosierten Maximum an Expression sind die Grenzen zwischen Heiligem und Religionsfanatiker verwischt. In Folge teilt er sich die Rezitative mit dem Sopran, wird als Ananias die Schuppen von den Augen Paulus‘ schaben und sich als Barnabas im Duett mit diesem anschicken, bis zum bitteren Ende die Heiden zu missionieren.
Als Saulus/Paulus kommt Jakob Mitterrutzners Bass prominent zu Wort, für die Altpartie sprang Sophie Allen ein. Wunderbar harmonierte das Quartett im Choral mit der Anrufung Christi, dem wahren Licht, dass es als selbiges die Ignoranten erleuchten möge. So delikat die Solisten von Mendelssohn arrangiert sind, sein Oratorium lebt auch besonders von der Ausdruckspalette des Chores, der hier noch am besten als Wort Gottes zur Wirkung kommt. Für das diffizile Zusammenspiel mit dem Orchester wünscht man sich einen anderen Aufführungsort. Vielleicht ergibt sich ja eine Wiederaufnahme, der man ob der augenscheinlich gründlichen und gewissenhaften Einstudierung mit Freuden entgegen sähe.
So hing die Aufführung am Dirigat Gordon Safaris, der seine Ensembles akkurat wie einst Mose die Israeliten durch die Fluten führte. Wer nach spiritueller Erfahrung dürstet, findet in diesem herrlich lichtdurchfluteten Kirchenraum abseits akustischer Erwägungen seine tiefe Befriedigung. Und so, wie Mendelssohn in personam die historischen Schichten lokaler Religiosität vereint, wird die Orgel im Kirchenraum zur transzendent integrativen Stimme von oben. Für ein begeistertes Publikum unten.