Bizarr und entrückt
STIFTUNG MOZARTEUM / BACHCHOR
20/04/18 Alles was Odem hat, preise den Herrn. Leopard, Tiger oder Löwe zum brüllenden Gotteslob aufzufordern, ist vielleicht angemessen. Aber Katz und Maus? Benjamin Brittens Chorstück „Rejoice in the Lamb“ ist ein wenig liturgietauglicher Lobpreis der schrulligeren Art. – Mit englischer und amerikanischer Chormusik begeisterte der Bachchor Salzburg am Donnerstag (19.4.) bei der Stiftung im Großen Saal.
Von Heidemarie Klabacher
„Es gibt nichts Süßeres, als seinen Frieden, wenn er ruht.“ Der Kater Jeoffry nämlich: „Die Herrlichkeit Gottes betet er an, indem er seinen Körper sieben Mal um sich herum mit eleganter Schnelligkeit windet…“ Und auch „die Maus ist eine Kreatur von großer persönlicher Tapferkeit.“ Benjamin Britten hat das eigenwillige Lobgedicht „Jubilate Agno“ seines Landsmannes Christopher Smart in der Festival Cantata „Rejoice in the Lamb“ für vierstimmigen Chor, Solisten und Orgel op. 30 im Jahr 1943 vertont.
Dieser Christopher Smart, 1722 bis 1771, ist einen Gutteil seines Lebens im Irrenhaus und/oder im Schuldgefängnis gesessen. Ohne seinen Lebenslauf auch nur in groben Zügen zu kennen, vermutet man dennoch eher einen Satiriker, denn einen religiösen Spinner: Immerhin ist dieser Smart Zeitgenosse eines Lawrence Stern, 1713 bis 1768. Und dieser hat der Welt noch ganz anders hinterlassen, als lobpreisende Katzen…
Der Bachchor Salzburg unter der Leitung von Alois Glassner, auf der Orgel begleitet von Wolfgang Kogert, hat das gebetsartig rezitierende bis machtvoll schwelgende Stück jedenfalls mit Witz und Virtuosität zur theologischen Diskussion gestellt. Drei Solisten tragen die Ansichten des Dichters zu Katz, Maus und Blume als Gott preisende Geschöpfe vor, der Bass gibt eine Art Buchstaben-Rätsel auf, schier unübersetzbar, aber triefend von Ironie und experimenteller Ungeniertheit. Sensationell für die Entstehungszeit. Engländer eben... Wie auch Britten, dessen genialer Umgang mit jeglichem Text auch dieses frühe Stück frecher Lyrik zum Pulsieren bringt. Es braucht dann nur mehr einen Chor von der Wendigkeit, Geschmeidigkeit und Homogenität – innerhalb der Stimmgruppen und innerhalb des Gesamtchors – des Bachchores. Und schon steht ein klingendes Sprachkunstwerk im Raum, das endlich kennengelernt zu haben, man einfach froh ist.
Ähnliches gilt, auch wenn die Textgrundlagen dann nicht mehr so originell sind, für die weiteren Werke dieses Programmes, das zum Glück jederzeit auf der brandneuen CD nachgehört werden kann. Verbeugung vor Salzburg und Geschenk an das live Publikum waren am Donnerstag (19.4.) im Großen Saal des Mozarteums Mozarts Fantasie f-Moll für eine Orgelwalze KV 608 aus dem Todesjahr 1791, sowie Kyrie und Gloria aus „Cantus Missae“ für acht Stimmen zu zwei Chören von Josef Gabriel Rheinberger: zwei harmonisch überreiche acapella Sätze gesungen mit überirdischer Klarheit und staunenswerter intonatorischer Reinheit .
Sonst gab es Engländer und Amerikaner und, mit Arvo Pärts geheimnisvoll anschwellenden „Beatitudes“ für gemischten Chor und Orgel und Olivier Messiaens sphären-harmonischen „O carum convivium“, weitere Chorsätze, die – wenn sie schon nicht jeder einmal singen darf – doch jeder wenigstens einmal gehört habe sollte. Das rhythmische „Beatus vir“ von James MacMillan, das lautmalerische „Magnificat“ von Herbert Howells oder Villiers Standfords hymnisches „For, lo, I rise up“. Wie transparent, textdeutlich und klangschön der Bachchor das singt, hört man „live“ noch viel lebendiger und bewegender, als auf der perfekt gemischten CD.
Der Amerikaner Charles Ives ist mit einem um die Jahrhundertwende komponierten „Psalm 135“ für gemischten Chor, Orgel, Trompete, Posaune und Schlagwerk vertreten, trotz dieser Besetzung ein eher verinnerlichtes bis langatmiges Werk. Charles Ives aber war ein Schüler eines Schülers von Josef Gabriel Rheinberger. Welch schönes dramaturgisches Detail!