asdf
 

Lass mich teilen seine Pein

BACH WERK VOKAL / STABAT MATER

20/03/18 So katholisch ist das „Stabat Mater“, dass es gleich zweimal aus dem katholischen Messbuch geflogen ist - beim Konzil von Trient und gut vierhundert Jahre später gleich noch einmal beim zweiten Vatikanum. Die Betrachtung der Schmerzen der Gottesmutter war wohl immer irgendwie unmodern. Dem alten evangelischen Thomaskantor J.S. Bach war das egal.

Von Heidemarie Klabacher

Johann Sebastian Bach hat zahlreiche eigene Werke klug und effektvoll weiter verwertet. Die Wiederkehr des Doppelkonzerts BWV 1043 für zwei Violinen als Konzert BWV 1062 für zwei Klaviere sei erwähnt. Er hat sich aber auch – und das gäbe heutzutage nicht wenig urheberrechtlichen Zoff samt Plagiatsvorwurf – Werke von Kollegen anverwandelt. Eine erstaunliche Begegnung mit einer Bach-Bearbeitung ermöglichte Gordon Safari, der so kundige wie umtriebige Gründer und Leiter von BachWerkVokal, am Sonntag (18.3.) in der Evangelischen Christuskirche.

Hinter der Kirchenkantate „Tilge, Höchster, meine Sünden“ BWV 1083 steht nichts geringeres als das berühmte „Stabat Mater“ von Giovanni Battista Pergolesi: Etwa zehn Jahre nach dem frühen Tod Pergolesis im Jahr 1736 hat sich Bach dessen Mariensequenz vorgenommen. Als Textgrundlage diente dem Thomaskantor eine fromme deutsche Umdichtung von Psalm 51, gespickt mit Selbstanklage und Sündenschuld, die sich in Versmaß und Reimschema erstaunlich gut mit dem lateinischen Gedicht deckt. Musikalisch ist die kontrapunktisch angelegte eigenständige Violastimme der größte Eingriff Bachs in die Partitur Pergolesis, abgesehen von einzelnen Abweichungen in der Melodieführung oder ausnotierten Verzierungen.

Nicht, dass das Pergolesi’sche Original nicht deutlich vorzuziehen wäre. Dennoch: Die irrlichternde Begegnung mit einem Werk, das so viele Musikfreunde so gut kennen und das diesmal so ganz und gar anders dahergekommen ist, möchte man nicht missen. Die Sopranistin Silvia Moroder und die Altistin Sophie E. Allen sind dem wahrlich sperrigen „Protestantisch-Deutsch“ mit technischer Präzision, schier spielerischer Leichtigkeit in der Linienführung und geradezu mitreißendem Gestaltungswillen begegnet. Wie poetisch und bewegend protestantische Dichter ihren so gar nicht strafenden Gott beim Wort nehmen, wurde immer wieder erstaunlich text-deutlich: „Herz und Geist voll Angst und Grämen wirst du Höchster nicht beschämen, weil dir das dein Herze bricht.“ Dogmatische Unterschiede zwischen den Konfessionen von Grabenbreite werden da innerhalb einer Strophe deutlich: „Denn du willst kein Opfer haben…“ Auch das „Ideologische“ machte die Begegnung mit BWV 1083 überaus spannend. Vor allem aber war es die stringent vorwärtsdrängende Musik, die Gordon Safari mit einem siebenköpfigen Ensemble ausgewiesener Alte-Musik-Könner erblühen ließ.

Auch Antonio Vivaldi hat ein „Stabat Mater“ geschrieben. Es klingt – wie so mancher Vivaldi – da und dort nach „Vier Jahreszeiten“, fordert vom Solisten aber feine Gestaltungskraft für große Linien und präzise artikulierte Koloraturen, die der Tenor Max Kiener mit reichem Timbre erstrahlen ließ. Auch das ein selten aufgeführtes Werk, das kennenzulernen eine Freude war.

Höhepunkt war freilich das „Stabat Mater“ von Arvo Pärt für Vokal- und Streichtrio aus dem Jahr 1985, eine gleichzeitig archaisch anmutende und doch erstaunlich modern schillernde Lesart der großen Mitleids-Bekundung mit fremdem Schmerz.

Das nächste Projekt von BachWerkVokal ist die szenische Aufführung von Georg Friedrich Händels „La Resurrezione“ am 22. und am 24. April in der Evanglischen Christuskirche in der Regie von Konstantin Paul unter der Leitung von Gordon Safari - www.gordonsafari.com
Bild: www.gordonsafari.com

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014