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Seelenspiegel und Brettljausn

MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE

24/04/17 Gewürzt wird eifrig, ob das Holz Kren reibt, das Blech Pfefferoni (im Falle des Trompeten durchaus auch Chili-Schoten) einwirft oder das Schlagwerk Perlzwiebel streut und alle anderen Register ihren Senf dazu geben. Naturgemäß gerät denn auch das Gewitter am g’schmackigsten – in Richard Strauss‘ „Alpensymphonie“ bei der Sonntagsmatinee des Mozarteumorchesters mit Ivor Bolton. Zuvor gab es Schubert und Brahms vom Feinsten.

Von Erhard Petzel

Mit Schuberts Chorstück „Gesang der Geister über den Wassern“ und Brahms‘ Alt-Rhapsodie auf Fragmente aus der „Harzreise im Winter“ kommunizieren zwei Werke außerhalb der Norm üblicher romantischer Vertonungen auf Basis von Texten Goethes: Höchstes Lob für Programmdramaturgie und Ausführung. Inhaltlich, besetzungsmäßig und in ihrer Haltung passen die beiden Werke gut zusammen.

Schubert arbeitet sich als glühender Goethe-Verehrer in fünf Jahren zur Fassung für Männerstimmen und tiefe Streicher durch. Auch wenn die erste öffentliche Aufführung seinerzeit misslang, ist seine an Nuancen und eigentümlichen Klangfarben reiche Komposition noch heute interessant und spannend zu hören.

Goethes Gleichnis der menschlichen Seele, die er sich unsterblich und im ewigen Kreislauf der Wiedergeburt denkt, mit dem Wasserkreislauf entstand auf der zweiten Schweiz-Reise beim Wasserfall von Lauterbach. Diese Bilder setzt Schubert in fein nuancierte Musik - von den Männern des Salzburger Bachchores am Sonntag (23.4.) im Großen Festspielhaus mit beglückender Textverständlichkeit dynamisch herausgearbeitet.

Ob dramatischer Sturz des schäumenden Elements über Klippen in den Abgrund oder ruhiger Himmelsspiegel, des Windes freudige Beweger wie kontemplative Betrachter finden im Chor ihre kongenialen Geister. Angesichts dieser elementaren Bewegtheit neigen die Streicher unter Ivor Boltons Dirigierfluss allerdings zum Verwaschen.

Johannes Brahms verdichtet in seinem opus 53 Goethes „Harzreise im Winter“ mit seiner Auswahl dreier zentraler Strophen und vertont darin eigenes Herzeleid. Auf dem düsteren Teppich des Orchesters entfaltet sich der wohltimbrierte Alt Bernarda Finks. Unaufgeregt, der melancholischen Grundstimmung angemessen, trägt ihre Tiefe den Text über des Orchesters geschmeidiger Begleitung und schraubt sich weich in die Höhen von Schmerz und Tröstung.

Wird in der zweiten Strophe der Bogen aus Menschenhass unglücklich geschlossen, begleitet der Männerchor in der Schlussstrophe den Ruf nach Schöpferliebe in einer Innigkeit, die keine Wünsche offen lässt. Undenkbar, dass in diesem Vorgang das Herz nicht die alttestamentarisch erflehte Erquickung finden sollte. Der Bezug zu Landschaft ergibt sich zu Beginn, da der auf Abwege Geratene von öder Vegetation verschlungen wird.

Nach der Pause die Hinwendung zur prallen, großorchestralen Ausmalung von Naturliebe mit Richard Strauss‘ Alpensinfonie. Das kommt ziemlich scharf konturiert wie eine Landschaft von Egger-Lienz. Oder ein Bonmot aus dem Programmheft aufgreifend, das Strauss zitiert, wonach auch eine Speisekarte zur Komposition tauge: Hier bekommt man eine so üppige wie zünftige Brettljausn serviert.

Gewürzt wird eifrig, ob das Holz Kren reibt, das Blech Pfefferoni (im Falle des Trompeten durchaus auch Chili-Schoten) einwirft oder das Schlagwerk Perlzwiebel streut und alle anderen Register ihren Senf dazu geben. Naturgemäß gerät denn auch das Gewitter am g’schmackigsten. Es sei zugegeben, dass die Oboe auf mildem Streicherglanz gebettet ist, die Vögelchen hübsch zwitschern und die Ankunft zuhause mit Orgelklang behaglich harmoniert.

Wenn auch das Erlösungsmotiv aus dem Holländer zitiert wird, muss man es doch nicht gleich mit dem Bauern im Simplicissimus halten, der eine Bergwanderung ablehnt, da man vom Hinweg nur wieder den Herweg habe. Stärkt sie doch die Kondition und die Persönlichkeit, wenn sie Abgründe überwindet und Klippen und Nasen technisch meistert, um an Höhe zu gewinnen, trübt sich die Schlussharmonie auch wegen der Blasen und des Muskelkaters ein. Reicher Applaus aus den Sitzen von denen, die Landschaft konsumieren und die Anstrengung anderen überlassen.

Bild: www.machreich-artists.com / Julia Wesely

 

 

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