Entlang der Seidenstraße
CAMERATA SALZBURG / FAZIL SAY
24/04/17 Durch die Konzertauftritte des türkischen Pianisten Fazil Say weht meist die Aura des Besonderen, des originell Außergewöhnlichen. Mit der Camerata Salzburg brachte er im Großen Saal des Mozarteums auch zwei eigene Kompositionen zur Aufführung.
Von Elisabeth Aumiller
Über seine 2015 entstandene Kammersymphonie für Streicher op. 62 sagt Fazil Say: „ Das Werk ist von türkischer Musik inspiriert und thematisiert meine persönliche Auseinandersetzung mit den komplexen Geschehnissen in der heutigen Türkei. Diese versuche ich durch die rhythmischen und metrischen Eigenschaften meiner Komposition zu vermitteln … der letzte Satz soll im Stil der Musik des Balkans gespielt werden.“ Die Streicher der Camerata geben dem Werk in konzentriertem Spiel eine stringente Form. Says Tonsprache ist eigen, eindringlich und zwingt zur Aufmerksamkeit. Er entwickelt sie aus der Improvisation, der er aber Form und Struktur verleiht. Das vielfarbige Klanggebilde zeigt strenge Rhythmik und flehende Melodik, schneidende Akzente und dissonante Einschübe. Süß singt die Solovioline und die übrigen Streicher mischen wie Tropfen klingende Pizzicati bei. Das türkische Kolorit durchzieht das ganze Stück, nicht leitmotivisch sondern immer wieder als Einfärbung unterschwellig aufblitzend. Tumultöses Aufbegehren wechselt zu klagender Melodie, von den gezupften Tropfen untermalt. Rhythmische Wechsel und Tanzelemente bringen neue Wendungen und geheimnisvolle Farben.
Das Klavierkonzert „Silk Road“ komponierte Say 1994 als damals 24-Jähriger. Dazu merkt er an: „Die Seidenstraße verband Asien mit Europa. Sie war ein Symbol für universale menschliche Kultur. Für die Komposition habe ich mich mehrere Monate hinweg dem Studium der Volksmusik aus Tibet, Indien, Mesopotamien und Anatolien gewidmet.“ Die vier Sätze sind entsprechend übertitelt mit „White dove, black clouds“ für Tibet, „Hindu Dances“ für Indien, „Massacre“ für Mesopotamien und „Earth Ballad“ für die antolische Heimat. Geheimnisvoll gibt der große chinesische Gong von der Empore den Startklang für jeden Satz. Say spielt den Klavierpart zu Beginn mit seidigem Klang, den die Streicher wie mit feinen Fäden begleiten und die tiefen Streicher die Substanz dazugeben. Eine Klavierfantasie, wie über die Thematik sinnierend, lässt er folgen, experimentiert mit den Klangmöglichkeiten, bearbeitet die Saiten des Flügels, um teils raue, teils zirpende Farben oder Erdfarben zu generieren. Ins Ausklingen mischt sich die Klangsuggestion feiner Regentropfen. Für den Klavierpart verfügt Say über die ganze Palette von inniger Lyrik über kraftvolles Zupacken zu rasanter Geläufigkeit.
Mit seiner pianistischen Brillanz macht Fazil Say auch Mozarts „Pasticcio-Konzert“ KV 37 zum hörenswerten Œuvre. Mozart war elf Jahre alt, als er dieses erste „Pasticcio“ verfasste. Say selbst hat als 14-Jähriger mit dem Komponieren begonnen, somit scheint er als „verwandte Seele“ ein Faible für die frühen Komponierversuche Mozarts zu haben. Mozart hat das Konzert aus Sonaten von der Komponisten Honauer, Raupach und Schobert zusammengefügt und sich daran in der Instrumentierung geübt. Der langsame Mittelsatz hingegen gilt als erstes eigenständiges Original. Say macht ein ansprechendes pianistisches Klangbouquet daraus. Camerata-Konzertmeister Gregory Ahss korrespondiert wunderbar mit Say und ermuntert die Kollegenschaft zu glänzendem Miteinander. Say spielt seine Solokadenz spritzig, feinfühlig und virtuos zugleich. Ahss und die Camerata-Musiker bieten auch in der Mozart- Symphonie C-Dur KV 200 ein inspiriertes Klangergebnis voller Drive, Glanz, eleganter Tanzrhythmik im Menuett und sie gestalten den spritzigen Schlusssatz mit feurigem Temperament.
Bild: dpk - Elisabeth Aumiller