Ganz selbstverständlich außergewöhnlich
KAMMERKONZERT / ZNAIDER, ANDERSZEWSKI
24/03/17 Der Frühling ist unvermittelt gekommen – eine Gedankenpause nur, nachdem der letzte Ton von Anton Weberns Vier Stücken für Violine und Klavier op. 7 verklungen war. Nikolaj Znaider (Violine) und Piotr Anderszewski (Klavier) am Donnerstag (23.3.) im Großen Saal des Mozarteums.
Von Reinhard Kriechbaum
In dem Pasticcio-Programm standen die Webern-Miniaturen aus den Jahren 1910/14 wie eine kleine Kostbarkeit im Mittelpunkt: Kernpunkt jenes Sinns für Lyrik und plastische Aussagekraft, wie ihn die beiden polnischen Musiker der mittleren Generation an allen vier jeweils so unterschiedlichen Werken dieses Konzerts mit beispielhaft dialogischer Grundhaltung herausstellten.
Gerade die Vier Stücke von Webern könnten in ihrer Knappheit verleiten, gestalterisch mehr zu wollen. Nikolaj Znaider ist ein Meister darin, quasi einen Schritt hinter sich selbst zurück zu treten. Also rührt er die Klangfarben mit äußerster Zurückhaltung an. Wie sorgsam er in einer Zwei-, Dreiton-Melodie mit dem Bogen näher an den Steg wandert oder sich entfernt: Das zeugt von analytischem Sinn ebenso wie von präziser Klangvorstellung und hat unaufdringliche Delikatesse, zu der Piotr Anderszewski genau das rechte pianistische Gewicht findet.
Nach dieser Miniatur-Exegese in Sachen frühem Anton von Webern also bloß mit einer Atem- und Konzentrationspause hinein in Beethovens „Frühlingssonate“ F-Dur, op. 24. Nobel zurückhaltend lässt Znaider das Hauptthema fließen, bietet seinem Kollegen alle Optionen für agogische Freiheiten, die dieser sehr entschieden nutzt. Wie ein Spiegelbild dann das energische zweite Thema, der Geiger nun spitz formulierend, Ton für Ton wie mit Rufzeichen markierend. Anderszewski lässt nun seinerseits viel Raum.
Dieses beständige Wechselspiel der beständigen Gewichtsverteilung konnte man nun Satz um Satz bei Beethoven, aber genau so bei Janáček und Schumann beschreiben. In Leoš Janáčeks Sonate für Violine und Klavier JW VII/7 war bestechend, wie die beiden Partner ihre Diskussions-Statements aufeinanderprallen ließen und doch sich im Schulterschluss einfanden in den nicht minder wichtigen lyrischen Gestus dieses weniger bekannten Werks.
Piotr Anderszewski mag da der dynamisch Impulsivere im Duo gewesen sein, doch gerade auch seine zarten, fast impressionistisch getönten Beiträge blieben nachhaltig in Erinnerung. In Schumanns Sonate d-Moll op. 121 haben Nikolaj Znaider und Piotr Anderszewski exemplarisch vorgeführt, dass der späte Schumann seine Musik nicht mehr dem bürgerlichen Salon, sondern dem Konzertsaal eingeschrieben hat: das war in großem Bogen gestaltet und spannend verdichtet.
Der Jubel fiel erwartungsgemäß aus, und die Zugaben – Bach und Kreisler – unterstrichen nochmal den Pasticcio-Charakter dieses erhellenden Abends. Immer wieder verblüffte, wie selbstverständlich sich das Eine ans Andere gefügt hat. Beide Polen verstehen es, das Außergewöhnliche wie selbstverständlich klingen zu lassen – und das Ergebnis war wie selbstverständlich außergewöhnlich.