Melancholie und Herzgefühl
OVAL / NACHT DES FADO
27/01/17 Fado heißt „Schicksal“. Leid und Schmerz, Wehklagen, Sehnsucht – emotionaler Alltag - wird zu Musik in der portugiesischen Tradition: ernsthaft, einfach und wahrhaftig. Alles andere als ein „netter Abend“ also, zu dem das Oval am Donnerstag (26.1.) geladen hat. Lissabon in Salzburg sozusagen. Ein Konzert, ja. Aber eben auch eine Achterbahn der Emotionen.
Von Christiane Keckeis
Fado lebt von den Fadista, den Fadosängerinnen und -sängern, von deren Intensität und deren Bereitschaft, sich einzulassen. Filipa Cardoso geht den Weg bis zur Selbstentäußerung: Sie hat alles, was ein Publikum in den Bann ziehen kann, Schönheit abseits der Hochglanzmagazine, ein Kleid, von dem nicht nur die Frauenwelt kaum den Blick wenden kann, große starke Gestik, Leidenschaft, ein vom Leben gezeichnetes Gesicht – man glaubt ihr jedes schmerzliche Gefühl. Sie lebt den Fado. Und dem Seelenstriptease zuzuschauen macht betroffen, erschüttert manchmal, berührt immer. Ihre facettenreiche Stimme hat das Fado-Timbre, dunkel, stark und farbig. Exzessive Expressivität und intensive Weiblichkeit machen Filipa Cardosos Fado aus.
Introvertierter, aber nicht weniger innig, nur weniger theatralisch berührt die männliche Variante: Carlos Leitao, Gitarrist, der mit seinem Gitarrentrio schon die Kollegin begleitete, lässt den Gesang aus dem Intro der Gitarre herauswachsen, melancholisch, traurig. Er zieht die Zuhörenden in die Musik hinein, der Blues überträgt sich. Kongenial gestalten seine instrumentalen Kollegen: Bruder Henrique Leitao an der Mandoline und Bassgitarrist Carlos Menezes, der wunderbare Basslinien findet. Die drei kennen sich gut, reagieren aufeinander, dass es eine Freude ist, sensibel, achtsam, musikalisch. Henrique Leitao zirpt und kommentiert mit vielen kleinen Pretiosen, sehr fantasievoll, bisweilen virtuos, mit profunder Technik, wie auch seine Partner. Und auch er lebt mit. Lebt den Fado. Eigene Kompositionen stellt Carlos Leitao vor, eine neue CD, im Stil des traditionellen Fado, starke Musik, gelegentlich verschnitten mit ein bisschen Jazz, ein bisschen französischem Chanson – stets die Emotionen hervorlockend jedenfalls.
Fado lebt auch vom Text. Die Lyriker des Fado sind portugiesische Ikonen, immer wieder erzählt Carlos Leitao in seiner unverkrampft humorigen Moderation, wie wichtig die Texte sind. Allein: der Veranstalter hat sich nicht die Mühe gemacht, die Texte dem nicht portugiesischsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Ein Manko des Abends , das leicht zu verbessern wäre. Weil die Stärke des Fado durch den Text noch gewinnt, verständlicher, ganzheitlicher wird. Schade. Salzburg ist nicht Lissabon, aber die Magie des Fado erfasste fast alle im Publikum: Melancholie und Herzgefühl wirken auch übernational.