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döppelte der gottelbock

KULTURTAGE / BALLASTSTOFFORCHESTER / CORNELIUS OBONYA

13/10/16 „Ich wollte nach links marschieren, nach rechts marschierte er. Da ließ ich mich kommandieren, blind lief ich hinter ihm her…“ Das ist keine aktuelle Analyse der „Marschrichtung“ unserer (derzeit noch) demokratischen Parteien, sondern aus dem „Lied vom SA-Mann“ von Hanns Eisler und Bert Brecht.

Von Heidemarie Klabacher

Zu der geradezu diabolisch hellsichtigen Brecht-Eisler-Groteske über das Horst Wessel Lied – den „Kälbermarsch“ – wippte zwar am Mittwoch (12.10.) im Haus für Mozart unbefangen ein Fuß, aber dieser Unschuldsfuß wippte auch bei Robert Gilberts „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“ oder bei Fritz Löhner-Bedas „Oh Donna Clara“.

Hoffentlich wippt nicht bald noch mehr. „Was hier entfesselt wurde, hat mit der ‚Machtergreifung’ in Deutschland nichts zu tun, was hier entfesselt wurde, war der Aufstand des Neides“, schreibt Carl Zuckmayer in seiner Autobiographie „Als wär's ein Stück von mir“ über den Anschluss in Salzburg. Wie es auf dem „Heldenplatz“ zugegangen ist, hat uns „Der Herr Karl“ überliefert.

Cornelius Obonya und das Ballaststofforchester mit seinen Vokalisten präsentierten unter der Leitung von Egon Achatz zur Eröffnung der Kulturtage im Haus für Mozart ihren Abend „Morgen muss ich fort von hier“. Der Untertitel, des in ähnlicher Dramaturgie auch als ORF-CD erhältlichen Programms verwirrt, abgesehen von seiner Sperrigkeit, schon immer ein wenig: „Musik und Texte, die im dritten Reich verboten waren“. Das mag ja gelten für Brecht und Weill, für Louis Prima und Benny Goodman oder für Shalom Secunda. Aber für Heinrich Himmler und Joseph Gobbels? Für die Herren Adolf Stein („Wir verniggern und veraffen“) oder Hermann Killer („Judentum und deutsche Operette“)?

Dieser Nazi-Ideologen unsägliche Reden, Zeitungsartikel oder pseudo-musikwissenschaftliche Analysen machen jedenfalls im direkten - schwer zu verkraftenden Nebeneinander mit den Texten Vertriebener - die tatsächlichen Dimensionen der Verluste erahnbar.

Wenn ein Schauspieler vom Kaliber eines Cornelius Obonya mit neutraler wohlmodulierter Stimme von der Deportation und Ermordung des Librettisten, Schlagertexters und Schriftstellers Dr. Fritz Löhner-Beda berichtet (wörtlich aus Raoul Hillberg: Die Vernichtung der europäischen Juden S 994 zitiert) und danach das Lied „Oh Donna Clara“ von Jerzy Petersburski und Fritz Löhner-Beda erklingt, dann schnürt es denen, deren Unschuldsfuß nicht dazu wippt, die Kehle zusammen.

Cornelius Obonya las also Texte von Verfolgten und Verfolgern, ließ die literarischen Texte mit feinsten Timbreschattierungen aufblühen, färbte aber auch Unsäglichkeiten, wie etwa die Goebbel’schen Auslassungen zur Homosexualität, mit subtiler filmbösewichtreifer Stimm- und Sprachmodulation. Dem Komödianten Obonya durfte man in der Wechselrede eines Wiener Sattlermeisters mit einem preußischen Ethnologen begegnen - in der Groteske von Anton Kuh „Der Anschluss“.

Welch hervorragender Chansonier der Burgschauspieler ist, weiß man von der CD. Ein Erlebnis, die Eisler-Nummern auf Texte von Bert Brecht, Julian Arendt oder David Weber live zu hören: „Das Lied vom SA-Mann“, die „Ballade von den Säckeschmeißern“ (eine erschütternd aktuell gültige Wirtschaftsanalyse) oder „Ballade vom Nigger Jim“ jagten Schauder über den Rücken. Da machte es auch gar nichts, dass das Orchester zu laut und darob der Text nicht immer zu verstehen war. In der hervorragenden Gesamtdramaturgie des Abends machte es auch nichts aus, dass die Vokalisten des Ballaststofforchesters gegen die Lautstärke kämpften und mit Stimmsitz, Intonation und Textgestaltung rangen. Jeder weiß, dass der Sigismund nichts dafür kann, dass er so schön ist.

Stand sie exklusiv für Salzburg auf dem Programm? Die unsägliche Eloge, mit der Karl Heinrich Waggerl den „Anschluss“ begrüßt hat? Mit diesem Tag sei der große Friede in die Welt eingekehrt, las Obonya. Das habe Adolf Hitler für uns alle eingefädelt „durch die befreiende Kraft einer wahrhaft großen Menschlichkeit“. Zum Glück kam danach Ernst Jandls „Wien:Heldenplatz“ – grandios rezitiert – sonst hätte man, wie der Passagier in die Emigration in Karl Farkas' „An Bord“ kotzen müssen.

Salzburger Kulturtage – bis 23. November - www.kulturvereinigung.com
Bild: www.corneliusobonya.com

 

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