Von Stadtpfeifern zur Musikkapelle
HINTERGRUND / SALZBURGER BLASMUSIKVERBAND
10/10/16 Es beginnt bei vielen Formationen mit den Neujahrsanblasen, und mit den obligaten Cäcilienkonzert im Herbst ist das Jahr für die Blasmusik noch lange nicht um. In Buchform legt der Salzburger Blasmusikverband seine Chronik vor.
Von Reinhard Kriechbaum
Viele Salzburger Chöre waren einbezogen in die Aufführung der „Carmina burana“ am Freitag (7.10.) im Großen Festspielhaus. Aber ein nicht minder wichtiger „Hauptdarsteller“ war das Salzburger Landesblasorchester. 148 Musikkapellen gibt es im Bundesland, mit 7.731 Musikern und Musikerinnen (davon sind 4.228 unter 30 Jahre alt).
Den Umstand, dass die Hälfte der heimischen Blasmusiker also junge Menschen sind, verwies auch Landeskulturreferent Heinrich Schellhorn. Vor dem Konzert wurde nämlich ein recht dickleibiges Buch vorgestellt, die Chronik des Salzburger Blasmusikverbandes. „Der Salzburger Blasmusikverband ist in allen Gemeinden sowie Städten aktiv und ist ein wichtiger Kulturträger. Besonders wertzuschätzen ist, dass die Aus- und Weiterbildung der Jugend ein zentrales Anliegen des Landesverbandes ist“, so Schellhorn. Ein Blick in die Chronik zeige, wie viel Enthusiasmus und Arbeit notwendig ist, um den heutigen Stand zu erreichen. „Das ist umso bemerkenswerter, dass der überwiegende Teil dieser Arbeit ehrenamtlich geleistet wird.“
Wie dürfen wir uns die Vorgänger heutiger Blaskapellen vorstellen? In früheren Jahrhunderten gab es eine musikalische „Zweiklassengesellschaft“. Die Musiker in den fürstlichen Hofkapellen waren vergleichsweise gut gestellt, ihre Kollegen von den Stadtpfeiferzünften waren materiell (und auch vom Image her) deutlich schlechter dran. Alltag der Stadtpfeifer waren die Turmbläserei, die Kirchenmusik, das Spiel auf Hochzeiten und bei Festen. Unter Stadtpfeifern darf man sich übrigens nicht nur Spieler von Zinken, Trompeten und Posaunen vorstellen. Auch Streicher und Holzbläser zählten dazu. Trommler und Paukisten natürlich auch.
Man kann durchaus sagen, dass die Blasmusikkapellen die Nachfolger der Stadtpfeifer sind. Es fehlt nicht an Betätigungsfeldern: 2015 gab es 6.178 Ausrückungen der heimischen Gruppen, davon 1.853 mit kleineren Ensembles und 167 mit Jugendorchestern. 658 Mal ist die Blasmusik bei öffentlichen Anlässen ausgerückt, 608 Mal im Dienst von Tourismusverbänden, 1.206 kirchliche Feiern und 1.189 Begräbnisse wurden musikalisch gestaltet.
Querflöten und Trommeln machten erste „Marschmusik“. Die österreichische Militärmusik kennt seit der Einführung des Gleichschrittes (1740) die Militärtrommel als taktangebendes Instrument. Die älteste Blasmusikkapelle auf ehemals Salzburger Terrain scheint es in Laufen gegeben zu haben, eine „türkische Musik“, die seit 1794 hauptsächlich von Bürgersöhnen gestellt wurde.
Schon 1792 soll die Werkskapelle Tenneck gegründet worden sein. Wie sie besetzt war, wissen wir aber nicht. Rauris gibt das Gründungsjahr seiner Kapelle mit 1800 an.
Feldmusiken mit Trommeln und Pfeifen, Turner oder Stadtpfeifer: Diese Musiken in Städten und Gemeinden wandelten sich um die Wende von 18. zum 19. Jahrhundert erst in „türkische“ Musiken (Blechblasinstrumente, Schellenbaum, Große Trommel). Dank der Schützenkompanien aus den Franzosenkriegen im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts machte man Bekanntschaft mit der Blasmusik im heutigen Sinne. „Damals hörte auch Strasswalchen – zumindest nachweisbar – zum ersten Mal eine Blasmusik, als eine französische Militär-Kapelle am Dreikönigstag 1801 beim Hochamt spielte“, heißt es in der Chronik der dortigen Trachtenmusikkapelle.
Die Gründung von Musikkapellen im 19. Jahrhundert geht sehr oft auf ehemalige Militärmusiker zurück. Entweder waren die Kapellen militärisch gewandet, oder es wurde das Militärische ganz bewusst verleugnet. Dann trugen die Ensembles Bezeichnungen wie Trachten- oder Bauernmusikkapelle und man kleidete sich in normale Sonntagstracht. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg bekamen die Blasmusikkapellen ihre heutigen Trachten oder Uniformen. Frauen in der Blasmusik gibt es erst seit dem 20. Jahrhundert.
Die heilige Cäcilia wird zwar immer die Orgel spielend dargestellt, aber als Patronin halten sie vor allem die Blaskapellen hoch, viel mehr als die Kirchenchöre: Cäcilienkonzerte oder die Mitwirkung der Blasmusik rund um ihren Gedenktag (22. November) sind für die meisten Ensembles ein Muss.
Die Chronik des Salzburger Blasmusikverbands, die natürlich die Ensembles in allen bezirken porträtiert, ist nicht weniger als 550 Seiten stark. Beiträge gelten auch den Blasmusik-Komponisten, und die Militärmusik, die nun Wiederauferstehung feiert, hat auch ein eigenes Kapitel bekommen. Dass die Blasmusik nicht nur ein Kultur-, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor ist, bleibt auch nicht unberücksichtigt.