Der Traum vom offenen Raum
HOFHAYMER GESELLSCHAFT / URAUFFÜHRUNG
05/10/16 Die Paul Hofhaymer Gesellschaft präsentierte am 4. Oktober in der Christuskirche ausschließlich neue Musik, in der freilich die alte drin steckte. „Uno spazio aperto“ von Fausto Tuscano hinterließ tiefen Eindruck, was die Botschaft des Werks und ihre musikalische Umsetzung betrifft.
Von Paul Kornbeck
Fausto Tuscano, einst einer der Bannerträger der „Taschenoper“, hat ein paar Jahre als Komponist geschwiegen, Italienisch unterrichtet und einen Weg gefunden, der schöne Räume des Klangs eröffnet. Einen offenen Raum verlangt auch Tuscanos neues Stück, das eben so heißt. Es geht um Franz von Assisi und den wundersamen Sonnengesang, um den Wahnwitz der Kreuzzüge und überhaupt der Kriege zwischen Christentum und Islam, um die legendäre Friedensreise des Ordensgründers nach Ägypten. Die Idee stammt vom Lehrer und Priester Peter Deibler, der die Geschichte gut beschreibende Texte beisteuerte, und vom Komponistenkollegen Hossam Mahmoud.
„Uno spazio aperto“ ist ein Hybrid. Man könnte es als Kantate mit theatralischen Akzenten, meditativen Abschnitten und gesprochenen Episteln bezeichnen. Außer Bruder Franz und Deibler, Wilhelm von Aquitanien und der Bibel hat auch der Komponist Texte beigesteuert. Im Zentrum steht der Sonnengesang, teils italienisch, teils deutsch, hinein verwoben sind Spielszenen zwischen Franz, dem Sultan und anderen Figuren. Die Botschaft der Liebe und des gegenseitigen Verständnisses kommt deutlich zum Vorschein – vor allem in der Musik.
Fausto Tuscano arbeitet mit Partikeln von Renaissancemusik, die er in einen tonal zentrierten Rahmen einbaut, mit erstaunlich belcantesken Stimmführungen, die anfangs mitunter zu komplex über einander und in einander geschichtet werden, wozu noch die emphatische Sprecherin Anarita Poliseno kommt. Dies ist gut gemeint und für die Ausführenden extrem schwierig umzusetzen, aber einfach zu viel an Information auf einmal. Wer den Text mitlesen könnte, hätte es besser, aber in der Kirche ist es mystisch dunkel.
Doch gegen die Mitte des mehr als einstündigen Stücks lichtet sich die Atmosphäre. Sprechende und singende Menschen führen Dialoge. Aus dem kunstvollen Gestammel wächst schließlich die Erlösung durch den Gesang, den reinen, fast keuschen Ausdruck menschlicher Spiritualität, wahrhaft himmlischer Freude und Hoffnung. Auch diese weder neu noch alt anmutende, organisch gewachsene Tonalität verlangt von allen Beteiligten höchste Konzentration. Die bringen das Hofhaymer Vokalquartett (Anna Maria Wagner, Bernadette Furch, Bernd Lambauer, Ulfried Staber), der famose und virtuose, Sirenentöne erzeugende Geiger Frank Stadler, die Sprecherin, der „Leser“ Peter Deibler und der dies alles souverän koordinierende Dirigent Kai Röhrig auf. Und das Publikum wird gefangen, wird berührt.
Am Ende bleibt eine Altstimme mit dem Preis der Schöpfung allein, mit verinnerlichter Inbrunst und altgoldener Klarheit gesungen von Bernadette Furch. „Wir brauchen einen offenen Raum“, so schreibt Fausto Tuscano, „um dort unsere Idee von einer friedlichen Welt, wie glückliche Kinder, spielen zu lassen.“ Offene Räume braucht auch die Musik und man freut sich schon auf die nächsten Erkundungen des wie Franz von Assisi aus Umbrien stammenden Komponisten.