Um Mozart herum
CD-KRITIK / REINHARD GOEBEL
24/12/10 Reinhard Goebel, lange Zeit „Spiritus Rector“ der auf Originalklang spezialisierten Musica Antiqua Köln, ist seit dem Wintersemester 2010 Professor für Barockvioline an der Universität Mozarteum.
Von Horst Reischenböck
Vor zwei Jahren entstand so mit der Bayerischen Kammerphilharmonie die mit dem „Diapason d’or“ ausgezeichnete CD „Mozart in Paris“. Nun folgte „Mozart in Italien“, hauptsächlich auf das Jahr 1771 ausgerichtet. Damals fand die Hochzeit von Maria Theresias Sohn Ferdinand statt, für die Johann Adolph Hasse mit der Festoper „Ruggiero“ beauftragt wurde. Als Umrahmung steht hier nun ihre durchaus respektable dreisätzige Sinfonia, festlich entsprechend „royalem“ Rang durch Trompeten und Pauken bestimmt, Einem Werk von Mozart gegenüber: seiner mit beschwingtem Finale später zur Sinfonie vervollständigten Ouvertüre zur Serenata „Ascanio in Alba“. Deren Erfolg damals das Werk des Altmeisters ausstach.
Dazwischen drei absolute Raritäten. Einmal das einzig erhalten gebliebene Violinkonzert des Engländers Thomas Linley, zu dem Wolfgang eine herzliche Beziehung unterhielt. Weiters eine Sinfonia des Kastraten Venanzio Rauzzini (Mozarts „Lucio Silla“ und Adressat der Kantate „Exsultate, jubilate“). Und schließlich eines von vier Konzerten des dann auch mit nur fünfundzwanzig Jahren früh verblichenen Flamen Franz Lamotte. Die beiden Violinkonzerte werden von Mirijam Contzen sowohl virtuos wie einfühlsam gegeigt. Eine absolute Bereicherung der Diskographie!
1756 war übrigens für die Musikwelt ein „fruchtbares“ Jahr. Es wurden nicht nur der Genius loci oder Thomas Linley geboren, sondern auch der bei uns nahezu unbekannt gebliebene, aus Schlesien stammende Kontrabassist Franz Anton Leopold Keÿper und der Nürnberger Johann Christoph Vogel. Er schrieb konzertante Sinfonien, die schon ab 1781 in den Pariser Concert Spirituel zur Aufführung gelangten. Klarinettisten ist Vogel durch die Zusammenarbeit mit dem zwei Jahre älteren Michèl Yost geläufig, dessen von Goebel „desaströs“ klassifizierte Soli er zu Konzerten orchestrierte (Dieter Klöcker nahm sich ihrer an). Den Triumph seiner letzten Oper „Démophon“, die dann bis 1820 gespielt wurde, erlebte der von Gluck Geschätzte nicht mehr. Seine drei Sinfonien, als 1er. Livre (ein zweites sollte nie zustande kommen) veröffentlicht, hat nun Reinhard Goebel auch erstmals mit der Bayerischen Kammerphilharmonie eingespielt. In ihrer Dreisätzigkeit entsprechen sie absolut dem damals an der Seine vorherrschenden Geschmack. Beim Hören begreift man auch, warum diesem auch Mozart in seiner „Pariser“ (auch sie leidet, so Goebel, an einem vierzigprozentigen Überhang an Wiederholungen) Rechnung zu tragen hatte. Bekanntlich musste er obendrein sogar einen zweiten, „leichteren“ Binnensatz komponieren.
Vogels unterhaltsame Gesellschaftsmusiken von 1784 tragen auch zum Verständnis der Situation bei. Konzertierende Soli in den Adagios von Nr. 2 und 3 – Flöte, Oboe, Fagott und Horn (das auch Vogel selbst beherrschte), dazumal durch Erste ihres Faches ausgeführt – machen diese darob zusätzlich interessant. So perfekt und in den Ecksätzen schwungvoll musiziert durchaus hörenswert!