Alles heldenhaft, grausam und schmutzig?
BUCHBESPRECHUNG / MYTHOS MITTELALTER
20/03/12 Dass Ritter allzeit schmutzige Wangen hatten und im dichten Nebel die Rettung jungfräulicher Maiden planten, ist wohl ebenso falsch wie die Annahme, der durchschnittliche mittelalterliche Krieger hätte ausgesehen wie Kevin Costner. Ein soeben erschienener wissenschaftlicher Sammelband beschäftigt sich mit populären Klischees über das „Dunkle Zeitalter“.
Von Nina Ainz
„Alles heldenhaft, grausam und schmutzig?“ – So der Titel eines am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg angebotenen Seminars, das sich mit der Mittelalterrezeption in der Populärkultur auseinandersetzte. Dieses Thema hat so viele Studentinnen und Studenten angesprochen, dass aus dem geplanten Seminar zwei wurden – und die Seminararbeiten waren so ambitioniert, dass die Ergebnisse der Untersuchungen nun in Form eines Sammelbandes im LIT Verlag erschienen sind.
Diesen Sammelband haben Herausgeber Christian Rohr und vier seiner Studentinnen und Studenten am Montag (19.3.) in der Bibliothek des Uniparks präsentiert. Unser Bild des Mittelalters sei „geprägt von den Eindrücken, die wir während unserer Kindheit darüber sammeln – diese beinhalten unter anderem eben schöne Prinzessinnen und wackere Ritter in glänzender Rüstung“, stellt Christian Rohr in seiner Einleitung fest.
Die kritischen Betrachtungen der Studierenden galten dem „Bild“ vom Mittelalter in Belletristik und Film, in Computer- und Brettspielen - bis hin zu Mittelalterfesten, die sich einer stetig wachsenden Beliebtheit erfreuen. Den Alltag für ein paar Stunden hinter sich lassen und eintauchen ins „lebendige Mittelalter“ – diese Sehnsucht scheinen gegenwärtig viele Zeitgenossen in sich zu tragen.
So untersuchte beispielsweise Judith Dannbauer den Bestseller-Roman „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett auf seine brutale Darstellung scheinbar mittelalterlicher Realität. Der kurze von ihr vorgelesene Auszug einer äußerst lebhaften Folterszene aus dem Buch reichte, um dem Publikum leise Schreckenslaute zu entlocken. Weniger grausam geht es in einer von Harald Gschwandtner untersuchten Filmadaption der Nibelungensage und Susanne Karrers Aufsatz über die Mittelalterrezeption in deutschsprachigen Brettspielen wie „Die Siedler von Catan“ zu.
Katharina B. Zeppezauer präsentierte abschließend einen Erklärungsversuch für die vom Mittelalter ausgehende Faszination auf die gegenwärtige Unterhaltungskultur: deren Auseinandersetzung mit dem Mittelalter sei „auch – oder vor allem – Spiel“, und dieser spielerische Charakter sei es, der „die Attraktivität des Mittelalters für die Populärkultur fass- und erklärbar“ mache.
Mit „Alles heldenhaft, grausam und schmutzig?“ haben die Studierenden der Universität Salzburg Pionierarbeit geleistet, denn bisher gab es kaum Fachliteratur in diesem Forschungsbereich. Auch, wenn man nach der Lektüre des Buches nicht weiß, wie es im „Dunklen Zeitalter“ denn nun wirklich zugegangen ist – äußerst erhellend ist sie allemal.