Eine Krone, egal ob als König oder Bettler
TODESFALL / GERT VOSS
14/07/14 Zwischen 1995 und 1998 war er bei den Festspielen der „Jedermann“. Am Sonntag (13.7.) ist Gert Voss, Ehrenmitglied des Burgtheaters, nach kurzer schwerer Krankheit in Wien gestorben. Er war 72 Jahre alt.
Vom „Verlust dieses in der europäischen Theaterwelt einzigartigen Schauspielers und großen Menschen“ ist im Nachruf des Burgtheaters die Rede. Das kann man an den Ehrungen ablesen, die Gert Voss im Lauf des letzten Vierteljahrhunderts zuteil wurden: unter anderem die Kainz Medaille (1988), der Fritz Kortner Preis (1992) und der Nestroy Preis (2000). Sechs Mal wurde Voss von der Fachzeitschrift „Theater heute“ wurde er sechs Mal zum „Besten Schauspieler“ ernannt. 1995 kürte ihn die „Times“ zum besten Schauspieler Europas. 2012 ehrte ihn die Konrad Adenauer-Stiftung mit einer Hommage als einen der bedeutendsten Schauspieler unserer Zeit.
Gert Voss wurde 1941 in Shanghai geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend am Bodensee und studierte Germanistik und Anglistik. Er nahm privaten Schauspielunterricht bei Ellen Mahlke von 1964 bis 1966, darauf folgten erste Engagements in Konstanz, Braunschweig (Staatstheater) und München (Residenztheater) und bei Hans-Peter Doll in Stuttgart.
Mit Claus Peymann wechselte er nach Bochum und wurde mit seiner Rolle des Hermann in der „Hermannsschlacht“ von Heinrich von Kleist zum 20. Berliner Theatertreffen 1983 eingeladen. 1986 wechselte Voss mit Peymann ans Burgtheater in Wien und wurde im selben Jahr als Richard III. gefeiert. Auch diese Aufführung wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen, gemeinsam mit Peymanns Inszenierung von Thomas Bernhards „Ritter Dene Voss“. Da war er also sogar Namensspender für den Stücktitel. Diese Produktion war 1986 auch Voss' Debüt bei den Salzburger Festspielen. Hier hat er 1992/93, als Peter Stein als Schauspieldirektor die Felsenreitschule fürs Sprechtheater aktivierte, den Marc Anton in Shakespeares „Julius Caesar“ gespielt.
Ab 1995 also der „Jedermann“, drei Sommer lang mit Maddalena Crippa als Buhlschaft, ein Mal mit Sophie Rois. In der Regie von Thomas Ostermeier spielte Gert Voss bei den Festspielen in Shakespeares „Maß für Maß“ (2011).
„Gert Voss eroberte vor 28 Jahren mit dem Griff nach der Krone als RICHARD III. die Burg und aus dieser Eroberung wurde sofort eine Leidenschaft, eine Leidenschaft zwischen dem Theaterkönig und dem Wiener Publikum“, so die derzeitige Burgtheater-Chefin Karin Bergmann. „In den folgenden Jahrzehnten trug Gert Voss diese Krone immer, egal ob er Könige oder Bettler, Shakespeare oder Beckett, Bernhard oder Handke, Tschechow oder Tabori spielte. Der Spieler-Titan war im Theaterolymp angekommen. Mit Gert Voss verliert das Burgtheater einen virtuosen Charakterdarsteller mit phänomenaler Strahlkraft.“
Vom zweijährigen Intermezzo 1994-96 im Berliner Ensemble und an der Schaubühne Berlin abgesehen, gehörte Voss seit 1986 dem Ensemble des Burgtheaters an. Enge künstlerische Zusammenarbeit verband ihn mit Peter Zadek (John Webster, „Die Herzogin von Malfi“ am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, am Burgtheater Shakespeare, „Der Kaufmann von Venedig“, Tschechow, „Ivanov“, Ibsen, „Rosmersholm“, Strindberg, „Totentanz“, Marlowe, „Der Jude von Malta“) und George Tabori, der mit ihm in der Titelrolle Shakespeares „Othello“ inszenierte und für ihn die Stücke „Requiem für einen Spion“, „Goldberg Variationen“ und „Die Ballade vom Wiener Schnitzel“ schrieb.
Unter Luc Bondy spielte Voss an der Schaubühne Berlin Sascha Guitrys „Der Illusionist“, im Theater an der Josefstadt Horvaths „Figaro lässt sich scheiden“, am Burgtheater und Akademietheater Tschechows „Möwe“ und Shakespeares „König Lear“.
Unter der Direktion von Matthias Hartmann spielte er in seinen Inszenierungen den Mephisto in Goethes „Faust“ und den Professor in „Onkel Wanja“ von Anton Tschechow. Seit der Premiere von „Einfach kompliziert“ von Thomas Bernhard im Akademietheater in der Regie von Claus Peymann 2011 spielte Gert Voss auch regelmäßig in Berlin. Zuletzt war er 2013 im Akademietheater in Luc Bondys Inszenierung der Orgon in Molières „Tartuffe“, einer Koproduktion mit den Wiener Festwochen. (Burgtheater/dpk-krie)