Der Ladenhüter wird in die Steiermark verborgt
HINTERGRUND / WHITE NOISE
17/04/12 Die Rezensionen in Architerkturzeitschriften waren bisher deutlich besser als die Nachfrage: „White Noise“ – im Volksmund der „Kunst-Igel“ – wird in Murau aufgebaut, als einer der Veranstaltungsorte des größten steirischen Regionalfestival für zeitgenössische Kunst und Kultur.
Reinhard Kriechbaum
Der Salzburger Kunst-Igel, der im März 2011 für die Salzburg-Biennale auf dem Mozartplatz errichtet wurde, bekommt also nach längerem Depot-Dasein wieder eine echte Funktion. Bei der steirischen „Regionale“ von 22. Juni bis 22. Juli in Murau wird das offiziell als „White Noise“ gehandelte mäßig mobile Bau-Kunstwerk eines von drei Festival-Zentren abgeben.
"White Noise" sollte eigentlich längst hier in Salzburg die Kulturszene bereichern, als ein Gebäude, das gleichzeitig Skulptur, Kunst im öffentlichen Raum, Architektur, eine neue Schiene für regionale Kunstförderung und ein mobiler Raum für Kunst sein wollte. "Die Resonanz bei Publikum und Kunstkritik bei der erstmaligen Aufstellung im Frühjahr 2011 war hervorragend, zahlreiche Architektur-Fachzeitschriften aus ganz Europa berichteten über dieses Projekt", so Kultur-Landesrat LHStv. David Brenner heute Dienstag (17.4.) bei einem Pressegespräch.
Salzburg habe mit dem Kunstigel „ein neues kulturelles Aushängeschild, das weit über die Landesgrenzen hinaus für Furore sorgt“, sagte Brenner. Konkret hat der „Furor“ freilich daraus bestanden, dass sich Veranstalter nach dem Preis erkundigten. Gemeinnützige Kulturinstitutionen erhalten "White Noise" grundsätzlich mietkostenlos (so auch die „Regionale12“ in der Steiermark). Transport-, Aufbau- und Betriebskosten sind allerdings selber zu bezahlen. Ob der dadurch anfallenden Kosten, speziell für den Transport und die Fundamente, hat sich der Furor schnell wieder gelegt. Die Kunstigel-Mobilität ist ja doch deutlich aufwändiger als die eines Bierzelts.
Bei der Regionale, wird der Pavillon der Architektengruppe soma von 22. Juni bis 22. Juli in der kleinen, 551 Einwohner zählenden Gemeinde Krakauhintermühlen stehen. Die "futuristische taktile" Architektur des mobilen Pavillons stelle einen „spannenden Kontrapunkt zur unberührten Natur der Krakau dar“, heißt es. „Aufgestellt in der alpinen Hochebene und angesiedelt zwischen kommunikativem Charakter und emotionaler Raumwahrnehmung, ändert sich seine komplexe Struktur je nach Standort der Betrachter ständig aufs Neue.“ Das sind fürwahr viel versprechende Wortklingeleien.
Der Pavillon wird das Kunstprojekt "Kühllabor" von dem steirischen Künstler Klaus Schafler und das lokale Festivalzentrum aufnehmen. Die künstlerisch abgehandelte Frage im „Kühllabor“: „Inwieweit sind wirtschaftlicher Nutzen, im Wettbewerb stehende Aufmerksamkeitsökonomien und das Bewahren von Landschaften miteinander vereinbar? Wie wirken sich Eingriffe in die Mikrolandschaft Krakau auf die Makrolandschaft Erde aus und umgekehrt? So bildet der ambivalente Charakter von Wettermanipulation und Geo-Engineering zwischen Risiko und Chance den Ausgangspunkt des Projekts, das aus Ausstellung beziehungsweise Forschungslabor und wissenschaftlichen Interventionen zur Beeinflussbarkeit von Klima und Wetter besteht.“
Nachhaltige Wetteränderungen sind vom Kunstigel selbst in absehbarer Zeit wohl nicht zu erwarten. Aber immerhin kommen so auch Salzburger – Lungauer nämlich – mit der ehrgeizig erdachten Landes-Kunstmobilie in Berührung. Denn die Regionale mit dem Titel „Stadt. Land. Fluss“ wird dezidiert den obersten Oberlauf der Mur, also den Lungau mit einbeziehen: „Mehrere hundert regionale Beteiligte aus Murau und dem Lungau und Künstlerinnen und Künstler aus 15 Nationen befassen sich in rund 25 Projekten mit den Themenschwerpunkten Jugend, Mobilität und Stadt, Zusammenleben und Zusammenarbeiten sowie Naturraum und Nachhaltigkeit“ meldet die Landeskorrespondenz. Lungauer Kulturvereinigung und Tourismusverband Tamsweg sind eingebunden: „In zahlreichen spannenden Projekten wird dabei gefilmt, gestaltet, diskutiert, modelliert, Platz eingefordert, protestiert, gebaut, getestet, spektakuläre Zeichen werden gesetzt, und natürlich wird musiziert und gefeiert. So wird das "School-Out"-Wochenende vom 6. bis 8. Juli Begegnung, Party und Spektakel gleichzeitig sein. Dabei werden nationale und internationale Bands, Djs und Artisten ihre Standpunkte zu den vielschichtigen Themen des Regionale12-Jugendprojekts vertreten.“ Der Lungau und das Gebiet um Murau zählen zu den am stärksten unter Abwanderung leidenden Regionen in Österreich.