Sonne abdrehen!
GLOSSE
Von Reinhard Kriechbaum
21/06/13 Alle reden jetzt von der Hitze, und keiner unternimmt etwas dagegen. Dabei wär's so einfach – und kreative Geister aus der Kulturszene wissen um den Effekt sowieso schon lange. „Gedämpftes Licht kurbelt Kreativität an“ - die Pressemeldung zum Sonnentag!
Wissenschafter der deutschen Universitäten Stuttgart und Hohenheim haben, so pressetext austria, herausgefunden, dass die Kreativität steige, wenn die Lichtstärke abnehme. Einer ihrer Anhaltspunkte: Menschen, die in abgedunkelten Räumen sitzen, lösten Verständnisprobleme „signifikant besser als diejenigen in normal belichteten oder hellen Zimmern“. Eh klar, im Dunkeln geht nichts mehr mit ratlosem Dreinschauen, verlegenem Achselzucken oder vagen Gesten. Da muss man sagen, was Sache ist.
„Diejenigen, die im gedämpften Licht arbeiten, fühlen sich zudem frei von jeglichen Beschränkungen.“ Dieses Gefühl von Freiheit kurble nach den Vermutungen der Forscher die Kreativität an. „Allein das Vorstellen, sich in einem verdunkelten Raum zu befinden, hilft bereits zur Steigerung des Einfallsreichtums.“ Dieses Phänomen sei in der Psychologie als „Priming-Effekt“ bekannt.
Die Wissenschafter haben das auch im Kino beobachtet: Dort werde „das Licht gedimmt, um die Unterhaltung zu steigern“. Ob sie berücksichtigt haben, dass Projektion bei Tageshelle obendrein ein wenig flau würde? Im Theater und oft auch in Konzertsälen ist Abdunkelung auch sehr oft üblich, das konnten wir vom DrehPunktKultur schon beobachten. „Im Dunkeln ist gut munkeln“, sagt sogar der Volksmund, der es im Regelfall noch besser weiß.
Der Gesundheitspsychologe Engelbert J. Winkler, der sich speziell mit den positiven Auswirkungen des Lichts beschäftigt, stimmt den Dunkelmännern überraschenderweise zu. „Die Gesellschaft ist so konditioniert, Entspannung sowie Unterhaltung mit Dunkelheit in Verbindung zu setzen. Kreativität wird wiederum mit Entspannung in Zusammenhang gebracht". Helles Licht assoziiere man eher „mit einer genaueren, konzentrierteren und korrekteren Arbeit“.
Doch Helligkeit bedinge nicht zwangsläufig optimierte Leistungsfähigkeit. Die Sonne wirke sich auf die Alpha-Frequenz im Hirn aus. „Beim Sonnenliegen ist das Licht zwar hell – die Aktivität an sich wird jedoch mit Entspannung gleichgesetzt", so Winklers etwas schwurbelige Beschreibung des Sonnenbadens.
Wir wischen uns jetzt einmal den Schweiß von der Stirn und lassen die Rollo südseitig runter. Die Kreativität soll schließlich nicht endgültig zerfließen. Wie war das mit Goethe? Der hat, als er in den letzten Zügen lag, angeblich nach „mehr Licht“ verlangt. Hier aber irrte der Geheimrat. „Balken zu“ hätte er sagen müssen. Dann wäre sich vielleicht noch eine bühnentaugliche Strichfassung des Faust II ausgegangen.